Ich sehe Vor- und Nachteile sowohl bei elektronischen als auch bei optischen Suchern, wobei sich die Nachteile optischer Sucher in erster Linie bei APS-C-Kameras bemerkbar machen, nicht bei Vollformatkameras. Und die Vorteile elektronischer Sucher bestehen bisher vor allem in der Theorie und beziehen sich nur zum Teil auf die größere Flexibilität der Sucheranzeige selbst (da ist sicherlich einiges machbar - aber manches will man auch gar nicht unbedingt haben ;-), sondern viel mehr auf die neuen Möglichkeiten, die sich "spiegelreflexähnlichen" Kamerakonstruktionen bieten, wenn das Bild nicht mehr per Spiegel zum Sucher umgeleitet werden muß, sondern direkt vom Sensor abgenommen werden kann. Neben Liveview und Video (was mich persönlich überhaupt nicht interessiert) eröffnen sich damit neue Möglichkeiten für Autofokus und Belichtungssteuerung, die theoretisch eine wesentlich präzisere, feinfühligere und schnellere Fokussierung (auch für Video, auch mit x-beliebigen Stangen-AF-Objektiven und auch im abgeblendeten Zustand), die Wiedereinführung von "TTL-OTF" für Blitzaufnahmen ohne störenden Vorblitz und eine autodynamische Belichtungsregelung noch während der Aufnahme selbst erlauben. In einem weiteren Schritt könnte dann auch der mechanische Verschluß entfallen und es ergäben sich neue Möglichkeiten für die Hochgeschwindigkeitsfotografie (nicht zehn Aufnahmen, sondern hunderte Aufnahmen pro Sekunde). Das sind aus meiner Sicht die eigentlichen Vorteile, die das technische Potential eines spiegellosen Designs darstellen.
Aber die aktuellen Modelle SLT-A33 / SLT-A55 / SLT-A55V haben damit nichts zu tun, keine der obigen Ideen ist in diesen Kameras verwirklicht.
Ich habe auf der photokina ein bißchen damit fotografieren können, aber mich hat die Kamera nicht überzeugen können, nicht nur, aber auch wegen des meiner Meinung nach sehr schlechten Sucherbildes, das der elektronische Sucher im Vergleich zum Sucherbild einer herkömmlichen Vollformat-SLR abliefert. Natürlich kann man sich an alles gewöhnen, aber warum sollte man, wenn es 1. (noch) keine Vorteile hat und 2. wesentlich besser geht, nämlich mit einem optischen Sucher?
Wenn Sony viel Energie in die Weiterentwicklung elektronischer Sucher steckt, denke ich, daß wir vielleicht in fünf Jahren Modelle haben werden, die es mit optischen Suchern aufnehmen können, aber zumindest die Verzögerung und der Stromverbrauch sind Probleme, die selbst mit der fortschrittlichsten Technik niemals so gut gelöst werden können, wie mit einem optischen Sucher.
"SLT" halte ich für eine Übergangslösung, und wenn Sony nicht insgeheim schon an den Nachfolgetechnologien davon arbeitet, für eine technologische Sackgasse - der halbtransparente Spiegel im optischen Pfad stört und ist zudem überflüssig, sobald zukünftige Sensoren Phasendetektions-AF und Kontrast-AF direkt ab Hauptsensor beherrschen - und das ist etwas, das ich eigentlich schon nächstes Jahr erwarte, wenn nicht von Sony, dann von anderen.
Persönlich wünsche ich mir eine Kombination aus beidem, optischem und elektronischem Sucher, umschaltbar je nach Situation und Anwendervorlieben. Die direkte Kombination eines hochwertigen optischen Suchers (d.h. mit massivem Glasprisma) mit einem elektronischen Sucher ist vermutlich schwierig (einfache Einblendungen hingegen nicht), deshalb würde ich eine Kamera bevorzugen, die einen klassischen optischen Sucher besitzt, für die aber ein Aufsteckmodul für den Blitzschuh angeboten wird, das einen elektronischen Sucher beherrbergt, der über zusätzliche Kontakte im Blitzschuh mit Energie und Daten versorgt wird und die Blitzschuhsignale zu einem neuen Blitzschuh nach oben weiterleitet, so daß man die normalen Blitzgeräte weiterverwenden kann. Mit runtergeklapptem Spiegel wäre dann der optische Sucher aktiv, mit hochgeklapptem der elektronische. Best of both worlds - und von diesem Zusatzmodul mal abgesehen wäre die Sache auch nicht teurer als eine herkömmliche SLR.
Viele Grüße,
Matthias
EDIT: Vgl. auch: http://www.mi-fo.de/forum/viewtopic.php?t=32063