Zitat von "Dennis"
Wenn ich meine Kamera auf mein Regal neben meinem Schreibtisch richte und ein Bild davon mache, kann ich später erkennen, wo sich welcher Gegenstand befindet, und in welcher Position und in welchem Zustand er ist. Das ist somit dokumentiert. Verändere ich etwas, und fotografiere das wieder, kann ich an Hand der Fotografien (sofern der jeweilige Kamerastandpunkt günstig ist) genau das feststellen. Das ist ein dokumentarischer Inhalt.
Das schlimme ist, dass Du Recht und Unrecht zugleich hast. Also, genau das Bild. Was dokumentiert es?
- dass der Gegenstand dort schon immer stand?
- dass Du den Gegenstand zuvor dort hingestellt hast?
- dass der Gegenstand Dir gehört?
- dass Dir der Gegenstand nicht gehört?
- dass der Gegenstand gefährlich ist?
- dass der Gegenstand am tt.mm.jjjj dort lag?
- oder dass die kamerainterne Uhr bewusst oder versehentlich falsch eingestellt war?
Die Tatsache, dass Du auf dem Bild die sechs Zentimeter zwischen Bleistift und Radiergummi nachmessen kannst, dokumentiert erstmal nichts ausser einen Zustand. Und was soll der uns sagen? Das Bild eines Unfallgutachters - hübsches Beispiel - sagt nichts, als dass eine Menge X von Beulen auf der Seite Y des Kfz. befindlich sind. Ob der betroffene Verkehrsteilnehmer die Hälfte der Beulen eine Woche zuvor selbstverschuldet ins Auto gefahren hat, sagt das Bild nicht.
Die Anzahl der revidierten Gerichtsurteile, die nicht zuletzt aufgrund von "beweiskräftigen" Photographien getroffen wurden, zeigen sehr deutlich, dass es sogar gefährlich ist, der Photographie einen dokumentarischen Charakter einzuräumen.
--- Kategorie Photographien von "öffentlichem Interesse" ---
Ich photographiere auf der Toilette des Deutschen Bundestages Reste weissen Substrates. Was dokumentiert mein Bild?
- ein Bundestagsabgeordneter hat sich eine "Line Koks" reingezogen und hektisch den Rest verschüttet?
- bei monatlich über 100.000 Besuchern werden sich sicherlich einige eine "Line reinziehen"?
- ich habe für mein Bild mit Backpulver rumgesaut?
Wir sehen in der Tageszeitung ein Bild von zwei Punks, die einen "Normalo" verhaun. Was sehen wir?
- wir sehen zwei Punks, die einen Normalo verhaun?
- wir sehen zwei Punks und einen Normalo, die für "ein paar Scheine" ein wenig Mummenschanz spielen?
Wir sehen in der Tageszeitung ein Bild eines Kinderschänders nach dem dritten Verhandlungstag. Sein Gesicht ist zu einer Fratze verzogen, wir sehen unangenehm seine Zähne, die Augen böse zusammengekniffen. Was dokumentiert das Bild?
- wir sehen einen Kinderschänder a la carte?
- wir sehen ein Bild aus einer Serie von mehr als 50 innerhalb weniger Minuten geschossenen. Darunter waren auch jede Menge normale, ausgesucht wurde jedoch jenes, dass unsere Empfindung dokumentiert?
Letzteres ist übrigens ein beliebter VolXssport unter Photographen, gerne auch bei Bundestagsdebatten. Am nächsten Tag sehen wir dann den Politiker "xyz" wir wir ihn gerne sehen würden. Verzerrt, unangenehm usw.
--- Kategorie Photographien die privates Leben "dokumentieren" ---
Wir sehen eine eher "schlechte" (wenn es so etwas überhaupt gibt) Photographie. Darauf ein lapidarer Tiroler Hügel (Berg genannt), Herr Deutscher Michel mit Frau Deutscher Michel. Nichts stimmt. Der Ausschnitt schlecht gewählt, die Belichtung mäßig, ein vernünftiger Filter war nicht zur Hand. "Urlaubsschnappschuss". Was dokumentiert es?
- nichts
- die schlechten Photographischen Fähigkeiten
- den glücklichsten Tag von Hernn und Frau Deutscher Michel
Aber was sieht Herr Deutscher Michel? Unter Umständen sieht er ein tolles Bergpanorama in den schönsten Farben, die er je wahrgenommen hat, er riecht den frischen Schnee, die saubere Luft und schmeckt noch die Weisswurst auf seinen Lippen. Nur werden wir das nie in dem Bild sehen.
Ein tolles Familienbild. Darauf ein glücklicher kleiner Junge, der im Garten umhertollt. Perfekt belichtet, der Junge dynamisch im Spiel eingefangen. Was sehen wir wirklich?
- ein klasse Privatbild von einem ambitionierten Amateur?
- einen kleinen, glücklichen Jungen?
- das Zerrbild einer Familie in dem ansonsten jeden Tag geprügelt, gebrüllt und diszipliniert wird?
Zitat von "Dennis"
Natürlich kann man das auch im Nachhinen verfälschen, genauso, wie man ein Bild "stellen" kann, aber das ändert doch nichts an der Tatsache, dass etwas dokumentiert wurde.
So wie geschildert, kann man ohne auch nur einmal die EBV oder das Retouschewerkzeug zu bemühen, ganz bewusst Bildern völlig entstellende Aussagen geben.
Zitat von "Dennis"
Weil das Klackern, Rattern und Blitzen stört?
Schade, dass DamnEd falsch verstanden wird. Was er im Umkehrschluss aussagt ist, dass eben nicht nur die Photographie den Alleinanspruch auf Dokumentationsreinheit hat, sondern eben auch die Zeichnung etc. Und wenn man Photographie realistisch betrachtet, dokumentiert sie, was der Photograph sehen WILL, nicht was man wirklich sieht!
Wenn wir wirklich mal zum Eingangsthema zurückkehren wollten? In meinen Augen bleibt ein Bild, dass zwar unter schlechten Parametern entstanden ist, möglicherweise sogar aufgrund fataler technischer Ahnungslosigkeit, jedoch mittels EBV zu retten war, ein gutes Bild.
Zum anderen sei mal bitte der Mythos EBV nochmal betrachtet. Will sich hier jemand ernsthaft einreden, dass ein unterdurchschnittlicher Amateur, dessen Photographien unter seinen eher schlechten Kenntnissen der Materie leiden, mittels EBV dann alles rettet? Selbst CS2 ist keine Wunderwaffe und will mit Augenmaß und Fähigkeit bedient sein. Es gibt zwar den den einen oder anderen "Fix und Fertig"-Filter, aber die Ergebnissen sind ehrlicherweise eher zweifelhaft.
Und meine Güte, natürlich gibt es Leute die mit einer DSLR nicht so gut umgehen können und bei denen auch Photoshop nur noch marginal etwas herausreisst. Aber was soll es denn? Wen juckt es? Schmälert es unserer Arbeiten? Schmälert es den Ruf der Photographie an sich, als das hier eine "Hexenjagd" (übertrieben) stattfinden muss? Eine Definition des Guten und des Schlechten?
Rudi sagt, er will sich vergleichen. Vergleiche wären wichtig für qualitative Maßstäbe und Berwertungen. Natürlich, Recht hast Du, Rudi. Aber ich habe da meine ganz eigene Sicht auf jene Menschen, die sich nach "oben" vergleichen und jene, die eher den Vergleich "nach unten" anstreben. Bitte, danke, gern geschehen!
Tut mir leid, aber ich sehe da überhaupt keinen Sinn. Und wenn ich mir die Flops der Pressephotographie der letzten dreissig und mehr Jahre ansehe, wird der Sinn immer geringer.
Gruss