Station: 9
Name: Matthias Paul
Handle: matthiaspaul
Region: NRW, Aachen/Köln/Bonn
Montag, 2006-06-05, vormittags
Das Bild wurde in Brühl (Rheinland) aufgenommen und zeigt zwei der vier wasserspeienden Bronzeskulpturen des Max Ernst Brunnens vor dem ehemaligen Franziskanerkloster (heute das Rathaus), Nähe Markt, und liegt nur knappe 50 Meter von Max Ernsts Geburtshaus und dem Schloß Augustusburg entfernt. Der Brunnen besteht aus einem quaderförmigen Steinbecken mit eingearbeitetem runden Wasserbassin, in dem zwei ebenfalls wasserspeiende Schildkröten auf je einem kurzen Säulchen sitzen. Dem gegenüber thront auf einer mannshohen Steinsäule das abgebildete Froschpärchen, das stark an die moai-Statuen auf den Osterinseln erinnert. Der Brunnen wurde 1971 nach Vorlagen des Dadaisten und Surrealisten Max Ernst erbaut und vom Künstler höchstselbst noch im hohen Alter eingeweiht, nachdem er sich in den Jahren zuvor mit seiner Heimatstadt ausgesöhnt hatte.
http://www.bruehl.de/stadt_bruehl/kultur/m...st_bruehler.htm
http://www.maxernstmuseum.de/
Um mit dem zur Verfügung stehende Objektiv unter dem gewünschten Bildwinkel nah genug an das Objekt heranzukommen und den unschönen Hintergrund möglichst weit auszublenden, blieb mir nicht anderes übrig, als zur Verwunderung und Belustigung der Passanten Schuhe und Strümpfe auszuziehen und in den Brunnen zu steigen. Mal sehen, ob's sich gelohnt hat...
Zur Motivfindung:
Nach einigen Jahren in den Niederlanden und England lebe ich nun schon wieder so lange in Aachen, daß ich diese Kulturstadt und ihre wunderschöne abwechslungsreiche Umgebung als meine Heimat ansehe und dementsprechend eigentlich auch vorhatte, im Rahmen unseres Forumsprojektes ein Aachener Motiv abzulichten. Dafür hatte ich, wie ich in einem anderen Posting schon mal andeutete, ziemlich bald eine ganz konkrete Idee für ein experimentelles Foto des Aachener Theaters. Leider hat sich jetzt herausgestellt, daß das, was mir vorschwebte, mit der Kamera (keine Langzeitbelichtungen länger 1s außer BULB) und dem beiliegenden Objektiv (50mm) kaum realisierbar gewesen wäre - jedenfalls nicht in überzeugender Qualität. Zwar habe ich das dafür notwendige Objektiv (ein Minolta MD 2,8/24 VFC), aber da ja im Vorfeld des Projekts gegen eine freie Objektivwahl entschieden wurde, konnte ich diese Linse der Fairness halber leider nicht verwenden. Um die Reise der Kamera auf der Suche nach einem anderen Motiv (bei passendem Wetter) nicht länger aufzuhalten, habe ich nun die Gelegenheit eines Aufenthalts in meiner alten Heimat Brühl für das Projektfoto genutzt.
Ich muß dazusagen, daß ich ein ambivalentes Verhältnis zu der Stadt hatte (und habe), in der ich aufgewachsen bin. Damals bot Brühl wenig bis keine Attraktivitäten für Jugendliche und junge Erwachsene, so daß wir uns schnell in Richtung Köln (meiner Geburtsstadt) oder Bonn orientierten. Damals fühlte ich mich mehr als Kölner (oder - etwas schräg - gar als Berliner, der Heimat meines Vaters vor der Flucht), denn als Brühler. Ganz subjektiv habe ich Brühl als eine graue Kleinstadt mit "hochgeklappten Bürgersteigen" in Erinnerung, in der oft Spießertum und Kleinbürgerlichkeit regierten. Auf der Habenseite die Großstadtnähe und der nach dem Braunkohleabbau rekultivierte Naturpark Kottenforst Ville mit einer größeren Zahl Badeseen und gut ausgebautem Wegenetz für Spaziergänge und Radtouren. Außerdem Eifel und Siebengebirge in Ausflugsreichweite. Inzwischen hat sich auch allerhand geändert, das Zentrum hat - zumindest tagsüber - deutlich dazugewonnen und lädt, wenn auch nicht zum Kaufen, so doch wenigstens schon mal zum Bummeln ein. Auch gibt es inzwischen wieder allerhand hübsche renovierte Winkel, ein Kulturprogramm, ein paar Sehenswürdigkeiten. Bekannt dürfte insbesondere das zu Zeiten der Bonner Republik noch regelmäßig für Staatsempfänge genutzte, vom Kurfürsten Clemens August erbaute Schloß Augustusburg mit dem berühmten Treppenhaus des Architekten Balthasar Neumann sowie das Jagdschlößchen Falkenlust sein. Auch die Giesler Brauerei dürfte zumindest in der Kölner Region für ihr nicht ganz nachwirkungsfreies Giesler Kölsch bekannt gewesen sein, wurde aber vor einigen Jahren geschlossen und ist inzwischen leider bis auf den Turm abgerissen. Das Brühler Eisenwerk und die Zuckerfabrik hatten zu meiner Brühler Zeit noch einen sehr guten Ruf weit über die Region hinaus - die Zuckerfabrik, in die die Bauern der Region ihre Rüben brachten, existiert inzwischen auch nicht mehr. Zu den positiven Erinnerungen an Brühl gehört für mich auch die Auseinandersetzung mit dem Künstler Max Ernst, Erfinder der Frottage- und Grattage-Technik, dem Brühl nach einer schwierigen Zeit nun schon über mehrere Jahrzehnte hinweg einen festen Ehrenplatz in seiner Mitte einräumt und sein Andenken pflegt, was man wirklich lobend anerkennen muß. Gerade erst vor wenigen Monaten wurde das neue Max Ernst Museum eröffnet, in dem im Moment noch eine vom Kurzfilmproduzenten Peter Schamoni organisierte Wechselausstellung besichtigt werden kann - unbedingt einen Besuch wert, wenn man mit Surrealismus und Dadaismus etwas "anfangen" kann. Als jemand, der früher selbst - rein aus Hobby - allerhand gemalt und gezeichnet hat (was in den letzten Jahren aus Mangel an Muße leider ziemlich eingeschlafen ist), war es für mich naheliegend, mit dem Heimatfoto auch gleich eine Verbindung zu Max Ernst herzustellen.
Montag, 2006-06-05, nachmittags
Übergabe der Kamera an meinen Bruder Christian ("Paulchen":
Viele Grüße,
Matthias
Zur "Reise einer Kamera"-Fotostrecke