Nun etwas verspätet mein Beitrag dazu (es gibt doch gewisse Schwierigkeiten mit angehängten Bildern in dier Rubrik). Ich habe etwas gezögert, wo ich meinen Beitrag Entspiegelung hinposte. Durch den zweiten Thread zum Thema bin ich hier auf den Ausgangsthread gestoßen. Da hier die Grundlagen besprochen wurden, füge ich ihn hier an. Es steht ja schon viel Vernünftiges insbesondere unter den angegebenen Links, die grundsätzlich erklären, wie eine Entspiegelung funktioniert. Allerdings bin ich über Olafs Beitrag gestolpert, der dringend einer Korrektur bedarf, denn da steht ein ganze Menge Unrichtiges drin. Diese Korrektur kann aber hoffentlich zugleich Ergänzungen zum Verständnis von Entspiegelungen allgemein mit sich bringen.
Olafs Aussagen
ZITATDie Hauptfunktion einer Vergütung aber ist nicht das Auslöschen von Reflexen, sondern erst einmal die Verhinderung derselben. Das Auslöschen der Reflexe, die doch noch entstehen, ist ein zusätzlicher Nebeneffekt.[/quote]
ZITATEine Vergütungsschicht hat stets einen Brechungsindex, dessen Wert zwischen denen der beiden Medien (i. d. R. Luft und Glas oder Glas und Luft oder zwei verschieden dichte Glassorten) liegt und den Lichtstrahl sozusagen stufenweise übertreten läßt.[/quote]
stimmen so nicht.
Auch die Aussage aus dem neuen Thread
ZITATWeil die Vergütung den Eintritt des Lichtes in das Medium mit neuem Brechungsindex sanfter -- in mehreren Stufen -- gestaltet und somit Reflexe von vornherein gar nicht erst auftreten ... bzw. in geringerem Maße. Die Auslöschung der immer noch auftretenenden (geringen) Reflexe ist nur ein zusätzlicher Effekt.[/quote]
ist so falsch.
Zwar ist der Effekt bekannt, daß schon eine Einzelschicht mit einem niedrigeren Brechzahl als das beschichtete Material, die Reflexion günstiger gestaltet, (allerdings ist es noch etwas komplizierter, als es Olaf erklärt – doch dies würde zu weit führen). Dielektrische AR-Schichtsysteme (AR= antireflection), die heute verwendet werden, beruhen jedoch auf der Grundlage der Interferenz. Sie sind Kombinationen hoch- und niedrigbrechender Schichten und keine Ansammlung vieler kleiner Übergänge, wie Olaf meint.
Ich habe das Problem sicherheitshalber noch mal mit dem Physikern unserer Firma diskutiert, besonders mit einer Kollegin, die auch u.a. Entspiegelungsschichten designed (ich arbeite zufälligerweise in einer Firma, die sich auf Dünnschichtoptik spezialisiert hat - /wink.gif" style="vertical-align:middle" emoid="" border="0" alt="wink.gif" />, sorry! Allerdings bin ich selbst kein Physiker.) Sie hat uns dafür mal einige Beispiele berechnet, die ich als Diagramm unten angefügt habe (d.H.derzeit ist das Bild noch verlinkt.)
Bleiben wir erst einmal bei den Wirkungen einer niedrigbrechenden Einfachschicht. Als erstes Beispiel dient eine Magnesiumfluorid-Einzelschicht mit der niedrigen Brechzahl nL=1.39, als Lambda-Viertelschicht berechnet für eine Wellenlänge von 500 nm auf BK7 mit einer Brechzahl von n=1.52. Hier ist zum einen der "Olaf"-Effekt (so nenne ich ihn einfachhalber mal) gut sichtbar. Hinzu kommt die Interferenzwirkung durch die Phasenverschiebung, die den Scheitelpunkt der Reflexionskurve bei 500 nm Wellenlänge bewirkt - natürlich nicht eine vollständige Auslöschung, da am Übergang Magnesiumfluorid/Glas weniger reflektiert wird als am Übergang Luft/ Magnesiumfluorid. Einzelschichten kommen heute z.B. als Kratzschutzschichten zum tragen, wobei allerdings nicht Magnesiumfluorid zum Einsatz kommt, da es relativ weich ist, sondern z.B. Siliziumoxid (SiO2), das aufgedampft auch eine (wenn auch sehr viel wenig) kleinere Brechzahl als viele Glas- und Kunststoffsorten besitzt (s.u.). Vielleicht hat Olaf solche Vergütungen im Kopf, zumal manchmal Hersteller mit reflexionsmindernden Eigenschaften solcher Schichten werben, obwohl sie relativ gering sind, wie das nächste Beispiel zeigt. Extra Kratzschutzschichten sind im übrigen heute eigentlich nicht mehr notwendig, da die AR-Schichten z.B. durch ionengestützte Aufdampfverfahren die gewünschten mechanischen Eigenschaften erhalten können (was, wie an anderer Stelle zu lesen war, scheinbar auch Leica macht, Stichwort Radiergummitest)
Bei AR-Schichten werden wie gesagt niedrig- und hochbrechende Schichten mit einander kombiniert. Als härteres niedrigbrechendes Material kommt in unseren Beispiel SiO2 zum Einsatz. Betrachten wir zunächst eine SiO2-Einzelschicht auf BK7. SiO2 besitzt in unserem Beispiel eine Brechzahl von nL=1.47, also nur etwas geringer als das Glas. (Achtung: In kristalliner Form/Quarz hat SiO2 eine Brechzahl von 1.52-1.53. Der Unterschied erklärt sich mit der anderen Atomlage nach den Aufdampfprozeß und damit einer anderen optischen Dichte). Somit sind auch die Effekte sowohl in Olafschen Sinne wie auch hinsichtlich der Interferenz (da ja auch weniger am Übergang SiO2/Glas reflektiert wird) deutlich geringer als bei dem Magnesiumfluorid.
Als hochbrechendes Material kommt bei AR-Schichten meist Tantaloxid (Ta2O5) oder wie in unserem Beispiel Titanoxid (TiO2) mit einer Brechzahl von nT=2.3 zum Einsatz. Eine Einzelschicht auf Glas wie BK7 würde aufgrund der höheren Brechzahl nun sogar die Reflexion erhöhen (TiO2/Luft im Vergleich Glas/Luft) und zugleich eine deutlichere Interferenzerscheinung zeigen, da aufgrund des Brechzahlunterschiedes bei TiO2/Glas auch mehr reflektiert wird als bei SiO2/Glas. Die eingezeichnete Kurve soll das verdeutlichen (sie ist in diesem Fall nicht berechnet, sondern entsprechend der genannten Fakten als Prinzipkurve eingezeichnet, kann also real in Lage und Aussehen leicht abweichen – irdgendwann mußte die Kollegin aber auch arbeiten /wink.gif" style="vertical-align:middle" emoid="" border="0" alt="wink.gif" /> ).
Es ist wohl nachvollziehbar, daß die Reflexion noch deutlicher aufgrund des noch etwas größeren Brechzahlunterschiedes dann bei der Grenze TiO2/SiO2 ausfällt und damit sich auch die Möglichkeit, in einem Schichtsystem bei entsprechenden Schichtdicken Interferenzen zu erzeugen, weiter verbessert.
Bei einem Mehrschichtsystem wechseln sich nun (fast) immer eine niedrigbrechende mit einer hochbrechenden Schicht ab, hier also Siliziumoxid und Titanoxid. Es ist nun deutlich, daß dies nicht mit "vielen noch kleineren Übergängen bei einer Mehrschichtvergütung" beschrieben werden kann (sondern die Summe der Reflexion in Olafscher Rechnung würde ja zumindest theoretisch sogar erst einmal steigen). Durch eine geschickte Kombination verschiedener Schichtdicken erreicht man jedoch eine solche Auslöschung über Interferenz, daß sich sowohl die Entspiegelungswirkung verstärkt, wie auch eine weitgehende Entspiegelung über einer größeren Wellenbereich erreicht wird. Es wird nicht Reflexion vermieden, sondern für Interferenzeffekte ausgenutzt und dadurch in der Gesamtheit eine Entspiegelungswirkung erreicht.
Das dargestellte Beispiel ist ein Zwölf-Schicht-System für eine Breitbandanwendung im sichtbaren Bereich. Es existiert im übrigen tatsächlich und ist schon unzählige Male produziert worden.
Durch Setzen weiterer Parameter im Beschichtungsprozess kann man die optischen Eigenschaften eine Schichtsystems weiter verändern z.B. auch in einer Beeinflussung der Dichte des jeweiligen Materialschicht (wie dies heute in modernen plasmagestützten Bedanpfungsanlagen ohne Schwierigkeiten zu bewerkstelligen ist), da sich hierbei z.B. die Brechzahlen wiederum ändern.
Man kann alles so weit treiben, daß man die Restreflexion für definierte Wellenbereiche unter die derzeit meßtechnisch mögliche Nachweisgrenze drücken kann. Dann spricht man auch von ZR-Schichten (=Zero-Reflection), die jedoch nur in Spezialoptiken wie in der Laseroptik oder bei Glasfaserschnittstellen ihren Platz haben.
Insgesamt steht dahinter eine aufwendige, komplizierte Rechenarbeit, die noch viel mehr Erscheinungen wie z.B. die Rückspiegelung im System selbst berücksichtigen muß, aber mittlerweile softwaregestützt abläuft. Richtige Interferenzfilter mit speziellen optischen Eigenschaften können leicht 100 und mehr Schichten umfassen. Was solche optischen Schichtsysteme u.a. leisten können, kann man sich hier einmal ansehen: Link.
BK 7 ist im übrigen ein optisches Standard-Glas.
Ich hoffe zum weiteren Verständnis beigetragen zu haben. Wer sich etwas weiter verwirren lassen möchte, kann sich mit folgenden Problemen beschäftigen:
- Wie Ihr der Reflexionskurve des Entspiegelungssystems entnehmen könnt, kann eine Entspiegelung immer nur über einen bestimmten Wellenbereich erreicht werden. Vor und nach diesem (festlegbaren) Bereich wird die Reflexion sogar erhöht.
- Die dargestellten Einzelschichten und Schichtsysteme sind für einen senkrechten Einfallswinkel (0° berechnet. Dies ist z.B. bei Linsen ja nicht immer der Fall. Die spektrale Lage eines Schichtsystems verschiebt sich aber unter verschiedenen Lichteinfallswinkeln. Somit muß bei der Berechnung von AR-Schichten auch der zu erwartende Einfallswinkel berücksichtigt werden bzw. die Entspiegelung für einen breiteren Wellenbereich ausgelegt werden. Nachvollziehbar ist dies, wenn Ihr eine Entspieglung unter einem sich ändernden flachen Winkel zu einer Lichtquelle hin anschaut und eine rötliche oder bläuliche Farbe sichtbar wird bzw. sich verstärkt und abschwächt. Dies sind reflektierte Lichtanteile, die je nach Lichteinfallswinkel größer oder kleiner werden.
- Für eine Abschwächung der Reflexion müssen nicht immer nur die Idealfälle herangezogen werden, in denen sich die entgegengesetzten Amplituden überlagern, auch wenn es sich hier am besten erklären läßt.
- Der Entspiegelungseffekt läßt sich bei anders gestalteten Schichtsystemen auch umdrehen und es lassen sich auf diesem Weg auch hochreflektierende dielektrische Spiegel erzeugen.
Gruß
Tilo
Hier der Link zum Diagrammbild: Diagramm Entspiegelung
Ich sehe gerade in der Vorschau, ich werde das Bild irgendwann noch einmal besser einscannen müssen. Aber das wesentliche ist erkennbar.