Genau diese neuen spiegellosen Systeme mit kleineren Sensoren (im APS-C-Format oder zumindest grob in der Nähe dieses Formats) sind das, wo ich die Zukunft des APS-C-Formats (u.ä.) sehe. Die Sony NEX-Kameras sind derzeit meiner Ansicht nach nicht der Weisheit letzter Schluß, aber Sony bräuchte nur eine NEX-Kamera mit klassischerer Anmutung wie die Panasonic Lumix DMC-G1 rausbringen, und sämtliche vermeindtlichen Vorteile von APS-C-DSLRs mit A-Bajonett wären mit einem Schlag dahin. Warum sollte jemand sich dann noch eine APS-C-DSLR kaufen, die zwar minimal kleiner sein kann als eine Vollformat-DSLR, aber konstruktiv aufgrund der nunmal seit 1985 festgelegten Geometrie des A-Bajonetts niemals auch nur ansatzweise in die Region einer Kamera für eines dieser neuen Kompakt-Spiegellos-Systeme kommen kann? Doch höchstens, weil er eine größere Auswahl an Objektiven sucht, aber diesbezüglich ist es auch nur eine Frage der Zeit, bis es diese Auswahl auch für das neue System geben wird - bei gleichen Eckdaten wesentlich kleiner, als APS-C-Objektive für das A-Bajonett es je werden könnten und im Weitwinkelbereich durch den Wegfall von durch das große Auflagemaß bedingten aufwendigen Retrofokuskonstruktionen günstiger und möglicherweise sogar optisch besser als es solche Objektive für das A-Bajonett je wird geben können.
Und wenn Sony sowas nicht rausbringt, Nikon und Canon stehen ja mit ihren Systemen auch in den Startlöchern. Irgendeiner wird's schon machen und den Markt der APS-C-DSLRs damit gehörig aufmischen. Deshalb bin ich überzeugt davon, daß das APS-C-Format in fünf Jahren bei keinem der derzeitigen Anbieter von APS-C-DSLRs mehr eine Rolle spielen wird, auch nicht mehr im Einsteigersegment. Bis dahin wird sich diese Übergangslösung zweimal überholt haben, einmal durch die Existenz von bezahlbaren Vollformatkameras in den angestammten Systemen und zum anderen durch die Existenz von dann etablierten neuen und tatsächlich viel kleineren Spiegellossystemen, die für das APS-C-Format konstruiert wurden und für die sich gerade die Leute interessieren werden, denen Spiegelreflexkameras schon immer zu groß und schwer waren, die aber trotzdem gerne die Qualität des immer noch vergleichsweise großen Sensors haben möchten (ziemlich genau das ist es ja auch, womit Sony sein NEX-System schon jetzt anpreist). Und wenn Sony dann keine Vollformatkameras fürs A-Bajonett mehr anbietet, sind sie raus aus dem Geschäft und das A-Bajonett damit auf ein Abstellgleis manövriert, nicht mehr konkurrenzfähig und am Ende. Deshalb ist Vollformat im A-Bajonett aus meiner Sicht keine Option, sondern notwendige Voraussetzung für den Fortbestand und Ausbau unseres Systems.
Über einen anderen Punkt müssen wir uns auch im Klaren sein: Die Bildqualität von APS-C-Kameras wird immer besser werden, die von Vollformatkameras aber auch (wenn nicht im Sony-System, dann in anderen). Die Qualität, mit der wir heute zufrieden sind, wird vielen in fünf Jahren nicht mehr reichen, auch wenn uns das im Moment noch abstrus vorkommt. Es war eigentlich schon immer so, daß sich die Bildqualität über die Jahrzehnte stetig verbessert hat, außer für relativ kurze Zeiträume nach grundsätzlichen Technologiewechseln, wo die Leute für eine bahnbrechende technische Neuerung kurzfristig bereit waren, übergangsweise wieder mit einer etwas schlechteren Qualität vorlieb zu nehmen, bis die neue Technologie auch qualitätsmäßig aufgeholt hatte. Genauso wie heute wird es deshalb auch in fünf Jahren Nutzer von APS-C-Format-Kameras geben, denen die damit erreichbare Qualität nicht ausreicht und die deshalb auf ein größeres Format umsteigen möchten. Paradoxerweise bewirbt Sony das NEX-System gerade mit dem Argument des größeren Sensors gegenüber Kompaktknipsen, ja, warum sollte dies nicht auch für Formate oberhalb des APS-C-Formats in völliger Analogie dazu gelten?
Daneben gibt es natürlich auch noch handfeste optische Gründe, die für oder gegen ein bestimmtes Format sprechen, und die hängen von den individuellen Anforderungen und dem persönlichen Geschmack ab. Jemand, der gerade die Verhältnisschar von Schärfentiefe zu Brennweite, wie sie im Kleinbildformat 24x36mm vorherrschen, bevorzugt und als "natürlich" ansieht, wird niemals eine APS-C-Kamera als "Ersatz" akzeptieren können, egal wie gut die Bildqualität nun auch werden mag, die Bilder werden einfach "anders". Mit einer APS-C-Kamera kann man den typischen Effekt eines Fotos im Kleinbildformat einfach nicht nachbilden, sofern man keine zweidimensionalen Motive fotografiert - ein Formatfaktor ist nunmal kein Brennweiten(verlängerungs)faktor. In Bezug auf die Schärfentiefe macht es einen Unterschied, ob ich mit einem 50mm-Objektiv vollformatig fotografiere oder ob ich aus einer Aufnahme mit einem 35mm-Objektiv eine Ausschnittvergrößerung mache, so daß nachher der gleiche Bildwinkel wiedergegeben wird - selbst dann, wenn die pixel density beim APS-C-Sensor abweicht (denn der Zerstreuungskreisdurchmesser geht linear in die Beziehung ein, die Brennweite gegensinnig dazu - aber nahezu quadratisch). Jedes Aufnahmeformat hat da seinen "Arbeitspunkt" woanders, mit jeweils spezifischen Vor- und Nachteilen je nach Sichtweise - deshalb gab und gibt es ja verschiedene Formate. Auch damit wirbt Sony für das NEX-System in Bezug auf bisherige Kompaktknipsen: Endlich keine von vorne bis hinten scharfen Aufnahmen mehr, sondern die Möglichkeit, Schärfentiefe kreativ einzusetzen. Schön und wahr, aber warum sollte das für noch größere Formate nicht noch in verstärktem Maße gelten? Ein Fotograf, der bewußt im Kleinbildformat arbeitet, empfindet oft schon die Schärfentiefe im APS-C-Format als viel zu groß... Und dagegen ist nach den Regeln der optischen Physik kein Kraut gewachsen, außer eben wirklich im Vollformat zu fotografieren. Das befreiende "Pro-Vollformat"-Motto und die "Vision" für das A-Bajonett-System, das nunmal von Grund auf für das 24x36mm-Format und nicht für das APS-C-Format konzipiert wurde, müßte lauten, "endlich wieder die Schärfentiefe, wie sie ursprünglich mal geplant war, endlich die Objektive wieder dafür benutzen können, wofür sie gerechnet und optimiert wurden, endlich das gesamte System wieder voll im Bereich optimaler Abstimmung betreiben können". Ein System, das nicht in sich abgestimmt läuft, ist nicht "rund" und wird nicht langfristig überleben, deshalb sollte Sony alles daran setzen, Vollformat auszubauen, statt es abzuschaffen.
Viele Grüße,
Matthias