RE: Analog-Digital-Vergleich mal anders

#16 von clintup , 03.10.2009 10:22

Ich sehe bei beiden Richtiges: Oliver und Johannes. Denn es gab diese Erscheinungen auch früher schon, aber nicht so brutal und offensichtlich. Und es gibt vielleicht auch heute noch langfristige Qualität - ich selbst hoffe das für meine 7Ds -, aber aus der MF-Zeit kann man eigentlich alles noch benutzen. Ob das mit den heutigen Dingern so sein wird, bezweifle ich.

Einen direkten Vergleich habe ich noch nicht angestellt und werde das wohl auch nicht. Ich brauche digital (beruflich) und ich will digital privat, wenn ich Dinge dokumentiere (zB. Besuch auf der Biennale in Venedig). Wenn ich aber ganz bewußt auf Pirsch gehe, einfach um zu photographieren, also aus Selbstzweck, dann schnappe ich mir gerne was Analoges - egal ob AF oder MF. Ja, sogar eine Vectis vermittelt da ein anderes Gefühl als eine digitale Kamera.


Gruß, clintup


 
clintup
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RE: Analog-Digital-Vergleich mal anders

#17 von wus , 08.11.2009 22:55

ZITAT(Schwupp @ 2009-09-17, 4:14) Hallo allesamt.

Ich denke das der inzwischen wieder vermehrte Gebrauch von analogen Kameras bei immer mehr Menschen daher kommt, das solche Kameras eben "Charisma" haben. Es läßt sich natürlich schwer beschreiben/erklären. Es hat auch nicht immer nur etwas mit Nostalgie Denken zu tun. Unabhängig von den Vor.- und Nachteilen der analogen Fotografie wird häufig auch davon gesprochen, das ältere analoge Kameras eine "Seele" haben.

Wer 1978 ein XD 7 gekauft hat, der hat dafür einen ganzen Monatslohn dafür ausgegeben. Tausend Mark war die Summe. Das hat ein Facharbeiter damals meist noch nicht mal verdient. Dafür hat er High Tech bekommen, die auch nach 30 Jahren genauso funktioniert.

Heute werden einem Facharbeiter 1300-2000 Euro Netto überwiesen. Wenn er für den Betrag eine Digitalkamera kauft, dann ist das zwar Hightech auf dem neusten Stand aber ebend auch ein Gerät, was nur noch meist durch Plastik glänzt. Dazu bekommt er ein Gerät, was vielleicht nach 3-5 Jahren schon gar nicht mehr richtig funktioniert. Der Wertverfall ist immens. Die A900 dürfte m.e. in 5 Jahren bei 200 - 300 Euro liegen, wenn sie denn noch in allen Bereichen funktioniert. In 10Jahren liegt sie vielleicht bei 50-100 Euro. Für die Vitrine wird sie dann wohl nicht gekauft.

Wer 2001 eine 3 Megapixel für 700 Euro gekauft hat, der hat heute ein Gerät welches entweder kaputt ist oder auf dem Gebrauchtmarkt keiner mehr haben will. Zudem ist die Archivierung ein größeres Problem als man denkt. Ein Teil meiner bespielten Rohlinge von 2001 läßt sich zumindest bei mir nicht mehr abspielen. Daher mache ich nun wichtige Aufnahmen mit meiner XD 7 als DIA. Für den schnellen, kurzeitig wichtigen Schuss nehme ich ne ältere Digitalkamera.

Der Absatzmarkt an elektronischen Geräten wird immer vielfältiger. Das liegt zum Teil auch daran das es Leute gibt, für die ein 6 Monate altes Händy einfach zu alt ist. Damit kann man bei seinen Freunden nicht mehr Punkten. Also wird gleich ein neues gekauft. Es geht dabei schon länger nicht mehr ums telefonieren.

Ähnlich sehe ich den aktuellen "digitalen" Kameramarkt und die Höhe der Absatzzahlen. Natürlich - dadurch sind qualifizierte Hersteller in der Lage neues zu Entwickeln. Aber die Mehrheit der Käufer von digitalen Kameras will einfach nur ein Foto - und nicht mehr. Kein stundenlanges sitzen vor dem Computer, um das Bild zu glätten, zu schärfen oder Hotpixel wegmachen. Viele in meinem Verwandtenkreis sind teils angenervt. Einige haben auch wieder Ihre alte analoge Kamera raus geholt. Auslöser drücken - fertig. Filmrolle abgeben und gut ist es. Viele sind durchaus entäuscht von den heutigen Kameras - im Segment um 100 - 300 Euro.

Ich sehe durchaus eine Gefahr, das ein großer Teil an Fotos aus der jüngeren Zeit einfach verloren geht. 90-95% der Fotos die heute gemacht werden, stehen in 20 Jahren doch überhaupt nicht mehr zur Verfügung. Jeder kennt es, wenn damals vor 20-30 Jahren der Opa seine aktuellen Fotos raus geholt hat. Und wohl jeder weiß im nachinein um das wertvolle darum. Wie heute mit zum Beispiel Urlaubsfotos umgegangen wird halte ich für die Mehrheit der Bevölkerung durchaus für fatal. Die Fotos schlummern ein paar Jahre auf irgendwelchen Datenträgern - wohl meist auf CD und sind dann irgendwann verschwunden.

Dem Leser hier mag dieses erst mal kitschig erscheinen aber wer Fotos nicht auf Papier zieht, der hat für die nächste Generation nichts in der Hand. Das ändert eine Gesellschaft mehr als man sich vielleicht vorzustellen vermag.

Hier im Forum tummeln sich natürlich eher die jenigen, die wirklich das beste aus einem digitalen Bild rausholen wollen. Denen macht die Arbeit am "Compi" auch nichts aus - im Gegenteil. Das ist konstruktive Arbeit am und mit dem Bild. Ich finde es absolut in Ordnung.

Allerdings erscheinen überall im Internet und auch in den Medien Fotos, die die Situation am Set, am Standort eigentlich gar nicht mehr SO widergeben wie es eigentlich war. Das ist OK, solange es als Kunst betrachtet wird. Es hat aber dann eher weniger etwas mit einem Foto zu tun - welches DEN "Moment" aufzeichnet. Ich fände es zumindest wesentlich, das demjenigen Fotografen klar wird, ob er eine Situation als Foto festhalten will oder ob er daraus ein Kunstwerk bzw. ein geschöntes Bild vorzeigen will. Der Grat dazwischen ist schmal. Und - Gewinner in Fotowettbewerben sehe ich immer häufiger eher als Künstler am Computer. Es gibt aber natürlich auch zahlreiche Ausnahmen.

Die Medien formen Menschen sehr viel mehr als die meisten denken und glauben. "Wer nicht das neuste hat ist OUT" - so sugeriert einen häufig die Werbung. Das ist heute zum Teil sehr extrem geworden, gab es aber auch schon in abgeschwächter Form Jahrzehnte vorher. Lange Haltbarkeit von Geräten aller Art wird nicht mehr verlangt und daher auch nicht mehr produziert. Wer 1960 für die Familie eine Kamera gekauft hat, der hat sie meist wissentlich für die nächsten 10-15 Jahre gekauft. Und er konnte davon ausgehen, das sie auch solange hält. Dafür stand auch Minolta als Firma in Japan. Auch AEG in Deutschland. Leider wurden die Namen verkauft...

Der Boom im digitalen Fotobereich führt ja schon seit längerem dazu, das der Markt mit sehr guten analogen Kameras geradezu überschwemmt wird. Ebenso das Zubehör. Gerade im Objektivbereich gibt es wahre Leckerbissen. Als ich mein MD 24mm Rokkor für ca. 60 Euro bekommen habe, war es wie Weihnachten. Für so eine Bildqualität muß man heute bei Digitalkameras richtig "latzen". Dafür hat man früher einen guten halben Monatslohn bezahlt. Heute bekommt man meist silberschimmerndes "AF-Plastik". Sicherlich mit hohem Qualitätsstandart - was die Bildqualität angeht. Aber die Verarbeitung aus Plastik oder dünsten Blech sagt mir, das ich nur kurzeitig etwas davon habe. Kurzum - ich habe einfach nicht das Gefühl das es wertvoll - erhaltenswert - etwas besonderes ist.

Es gibt Kameras seit mehr als 100 Jahren. Die mit der "meisten Seele" und mit der besten Funktionalität wurden meiner Meinung nach 1950-1990 gebaut. Ebenso die Objektive und das Zubehör aus der Zeit.

Das ältere analoge Kameras eine "Seele" haben, liegt vielleicht auch daran, das diese Kameras von Menschen größtenteils in Handarbeit gebaut wurden. Wer weiß...

Mir ist meine XD7 Kamera vor einiger Zeit mit einem Objektiv vom Stuhl gefallen. Es war ein MC Rokkor PG 50mm daran. Ich hatte das Objektiv als Vitrinenstück erhalten. Wie neu. Nun hat das Filtergewinde eine (typische) Macke/Beule. Sonst alles in Ordnung. Seitdem ist es mein Lieblingsobjektiv geworden. Endlich kann ich das für mich wertvolle Objektiv im rauen Alltag benutzen. Kratzer und Dellen formen vielleicht den Charakter, die Seele. Aber auf jedenfall seitdem auch meine Einstellung zur Fotografie.

Denn es kommt darauf an, was als Endergebnis als Foto dabei raus kommt und nicht was in einer Vitrine steht. Ich bin Fotograf - kein Sammler für die Vitrine. Die Qualität der Kamera und des Objektives zählt. Die besten Vorraussetzungen für ein gutes und immer auch einmaliges Foto. Deswegen finde ich ältere Minoltakameras und Rokkor Objektive einfach gut. Sie sind so wertig gebaut, das sie einiges verzeihen. Und wie schnell ärgert es einen, wenn man mehr auf die Kamera als auf das Motiv achten muß.

Ich schieb morgen einfach mal nen anderen neuen Vollformat Sensor in meine XD7. Einen Provia 400X... und freue mich über die tollen Fotos und die tolle Kamera ... und über meinen Projektor mit irrer Auflösung

Grüße,
Oliver[/quote]

Du sprichst mir voll aus dem Herzen! Besser hätte ich es nicht auf den Punkt bringen können! Dafür danke, Schwupp!

Ich fing zwar erst mit der 7000AF an, aber schon von dieser Generation zur 800si und noch mehr zur D7 ist der von Dir beschriebene Trend spürbar.

Auch ich habe CDs auf die ich anfangs (1999) meine ersten gescannten Dias gebrannt habe, die schon nicht mehr lesbar sind. Da bin ich echt froh dass die Dias noch im Schrank stehen. Für mich ist es unvorstellbar dass es Leute gibt die ihre Diasammlung scannen und dann die Originale wegschmeißen.

Das ganze ist ein gesellschaftliches Phänomen das weit über Fotografie hinaus geht. Ich nenne es den Verlust der Geschichte. Geschichte wurde für die Ewigkeit geschrieben um früher gemachten Fehler für die Zukunft zu vermeiden. Technik wurde erfunden bzw. entwickelt um den Leuten langfristig das Leben zu erleichtern und angenehmer zu machen.

Das spielt heute kaum noch eine Rolle. Nur noch der Quartalsabschluss zählt. Politik ist nur noch Erfüllungsgehilfe der globalen Konzerne. Für die ist "Geschichte" in aller Regel eher hinderlich. Was die Wahlen anbetrifft sind wir de facto beim Status der DDR angelangt - man geht zur Wahl, ohne zwischen echten Alternativen wählen zu können. Zwischen den Wahlen hat der Wähler das Maul zu halten, denn Volksabstimmungen gibt es nicht. Die Lobby und das Marketing der Konzerne gaukelt uns derweil eine heile Welt vor.

Wenn dann mal größere Missgeschicke passieren anhand derer klar wird dass da eine massive Fehlentwicklung stattgefunden hat, wie die derzeitige Finanzkrise, dann werden da nicht etwa sinnvolle Konsequenzen gezogen und vielleicht die Handbremse, nicht etwa nötige Korrekturen durchgeführt - nein, man legt etwas nach und tritt die Flucht nach vorne an. Auf dass wir bis zur nächsten, um hoher Wahrscheinlichkeit um so heftigeren Krise weiterwursteln können wie gewohnt.

So lange keiner die Frage stellt "wofür das alles?" wird sich das wohl nicht ändern

Das gilt auch für die Fotografie. Wenn die Technik im Vordergrund steht und nicht das Bild muss es natürlich immer die neueste, allerbeste Technik sein, obwohl man auch mit 30 Jahre alten, technologisch vergleichsweise primitiven Kameras tolle Bilder machen kann.

Wen interessiert schon was ein altmodischer Hobbyfotograf denkt ...


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