Hallo zusammen,
ich finde es schon interessant, dass der kollektive Pessimismus nun scheinbar unmittelbar vor der Markteinführung seinen Höhepunkt erreicht. Ich denke, ich muss hier doch mal eine Lanze für (Konica) Minolta brechen.
Ich selbst bin 1988 ins Minolta-System eingestiegen und bereue es bis heute nicht. Wenn man sich die Geschichte anschaut, dann hat Minolta im Verlauf der letzten zwanzig Jahre immer wieder bemerkenswerte Innovationen eingeführt, beginnend mit dem kameraintegrierten Autofocus, HSS-Blitzen über den gesamten Verschlusszeiten-Bereich, drahtloses Blitzen, schneller Verschluss (1/8000 und 1/12000) und auch das sog. "Classic"-Bedienkonzept (ja, das war seinerzeit in der Tat eine Innovation, und da freue ich mich schon auf die 7D). Man bekommt bei Minolta einfach *viel* mehr "bang for the buck" …
Aber es gab auch eine Reihe strategischer Fehlentscheidungen, über die man nur den Kopf schütteln kann. Die RD-175 und die RD-3000 kamen sicherlich zu früh, und die blutige Nase hat die Entscheidungsträger vorsichtig werden lassen. Beim APS-Engagement aber gab es m.E. dramatische Fehlentscheidungen. Mal abgesehen davon, dass man alle Vorzüge von APS (die zweifellos vorhanden sind) ganz bestimmt auch in die Kleinbildpatrone hätte integrieren können, halte ich dieses unsägliche V-Bajonett für den Fehler, der am schwersten wiegt. Hätte man das damals Dynax-Bajonett benutzt, hätte man seinerzeit sicher mehr Kameras vom Typ Vectis S-1 verkauft – sooo schlecht war die nämlich gar nicht. Meine Frau hat zwei Stück davon: ist schön klein und leicht, spritzwassergeschützt und kann man einmal häufiger mitnehmen als eine komplette Dynax-Ausrüstung. Der Sucher war vielleicht etwas dunkler, aber auf jeden Fall war er sehr, sehr praktisch! Sicher, der Autofocus war kastriert (auch ein großer Fehler), der Verschluss hätte schneller sein können, aber insgesamt war das ein sehr interessantes und innovatives Konzept (wieder einmal! Und Olympus versucht jetzt mit der E-300 eigentlich etwas prinzipiell ähnliches). Hätte man damals aber das Dynax-AF-Bajonett verwendet, …
… hätte man sicher mehr Vectis-Kameras verkauft, weil die Objektivauswahl größer gewesen wäre;
… wären alle Vectis-Besitzer potentielle Dynax-Käufer geworden;
… wären alle Vectis-Besitzer *jetzt* potentielle Dynax-7D-Käufer geworden;
… hätte man jetzt schon eine gute und interessante Festbrennweite (3,5/17mm) für die 7D im Programm;
… hätte man jetzt ebenfalls ein (oder mehrere) interessante/s Low-Cost-Zoom/s (z.B. 25-150mm, 22-80mm usw.) für eine potentielle 5D im Programm.
Jetzt aber muss man schlicht sagen, dass sich APS, Vectis und das V-Bajonett als Riesen-Flop und letztlich als Sackgasse erwiesen haben. Man muss schon ein extrem loyaler Minolta-Fan sein, um sich darüber nicht zu ereifern. Und für Minolta war das bestimmt auch ein sehr teures Vergnügen … und hat dann die Entscheidungsträger wohl noch zaghafter gemacht.
Aber zurück zur 7D: Sicherlich kommt sie reichlich spät, aber für mich ist sie schlicht die Beste Inkarnation ihrer Klasse:
- meine Objektive passen drauf
- AntiShake: eröffnet in Verbindung mit dem (guten und günstigen) 1,4/50mm, aber z.B. auch mit dem 1,4/85mm, dem 2,8/100mm Macro oder dem alten Sigma 1,8/28mm, völlig neue Möglichkeiten, die man bei anderen Herstellern erst mit deutlich höheren ISO-Einstellungen (oder gar nicht) erreicht werden.
- Bedienung? Dem braucht man nichts hinzuzufügen, außer vielleicht, dass der Vergleich zwischen einer Contax RTS und einer Dynax 7 ist gar nicht sooo weit hergeholt ist …
- Robustheit: Meine Dynax 7000i hat 45 °C im australischen Outback lebend überstanden. Und auch feinsten Sprühregen im norwegischen Frühling. Da erwarte ich von einem Magnesium-Gehäuse auch nichts Schlechteres.
- heller und großer Sucher, schneller Autofocus usw.
M.E. hat Minolta mit dem 7D-Gehäuse m.E. einen echten Volltreffer, den man im Laufe der nächsten Jahre à la Dimage 7/A1/A2 behutsam ausbauen kann, z.B. mit einem höher auflösenden Sensor, einem schnelleren Verschluss, größeren Puffer oder eben auch Live-Preview und Live-Histogramm (technisch absolut machbar: Eye-Start wie bei A2 benutzen, Spiegel hochklappen, Verschluss öffnen und los geht’s. Auge am Sucher? Spiegel wieder runter, Verschluss wieder zu. AF- und Belichtungsmessung lassen sich bestimmt noch irgendwie integrieren). Mit dem jetzigen Konzept bin ich ziemlich sicher, dass Minolta die nächsten 5 bis 10 Jahre überstehen wird.
Und wer meint, dass 6 Megapixel nicht reichen, sollte einfach mal 22 Euro in die Hand nehmen und zwei 50x75cm Poster bei Photo Dose drucken lassen – eins direkt aus der Kamera und das andere mal hochgerechnet und nachgeschärft (mit welcher Software auch immer). Das Ergebnis war für mich verblüffend. Und wer noch größere Prints möchte (60x90cm oder größer), der wird auch die nächsten Jahre noch auf Mittelformat (ggf. zzgl. Scanner), Mamiya ZD oder Canon 1Ds Mk II zurückgreifen müssen. Wer das von Minolta will, der muss sich noch gedulden, bis der 24MP-Sony-Sensor, den Nikon im Jahr 2006 in der D3x vorstellt, dann im Jahr 2007 in die Dynax 700D eingebaut wird. Und da das nicht wohl auch nicht vor 2007 bezahlbar sein wird, kaufe ich mir die 7D jetzt. Denn das der digitale "Workflow" einfach viel effizienter ist, ist mir spätestens mit der Canon Powershot G3 klar geworden. Und wer für diese *gähnend* langsame Kamera tatsächlich 1000 Euro ausgegeben hat, der müsste sich über Canon genauso ärgern, wie ein Vectis-Nutzer über Minolta.
Was die Pixel-Zahl und tatsächliches Auflösungsvermögen angeht: da werden jetzt wieder einige hier die Nase rümpfen: wie kann man denn nur ColorFoto lesen, geschweige denn, zitieren – ich tue es trotzdem! Denn die laufende Testserie zum Auflösungsvermögen von "konventionellen" Objektiven an Digital-SLRs finde ich in der Tat sehr aufschlussreich. Sie zeigt nämlich, dass (mit Nachschärfung) die Canon CMOS-Sensoren stets etwas schlechter auflösen, als die Sony-CCDs in den anderen Kameras. Z.B. ist die Canon 300D mit den gleichen Objektiven (z.B. Tamron 2,8/90mm Macro) stets etwas schlechter als die Nikon D70. Und wenn man dem aktuellen Test der Canon 20D vertrauen darf, dann übertrifft das wirkliche Auflösungsvermögen der 20D das Niveau der Nikon D70 nur minimal – wenn überhaupt. Und verwendet Minolta in der 7D nicht eine Weiterentwicklung des Sensors der Nikon D70? Ich denke, für den engagierten Hobby-Fotografen dürfte das allemal genügen … und für Profis spielen ohnehin noch ganz andere Kriterien eine Rolle.
Wer Minolta-Objektive hat, hat nur eine Wahl (und zwar eine sehr gut, wie ich finde). Für Nikon, Canon und Pentax (u.v.m.) gilt dasselbe. Wer einsteigt, hat eine die Qual der Wahl – und muss sich genau überlegen, was er wirklich will und welche individuellen Vorteile des jeweiligen Systems für ihn am wichtigsten sind.
Jörg Grabbel