RE: WYSIWYG Farbraum für Fotografie

#1 von tatatu , 26.12.2006 01:54

Der Titel dieses kleinen Berichts ist natürlich ein bisschen zugespitzt. Ich hatte hier im Forum schon mal den Farbraum "Photogamut-RGB" erwähnt.
Inzwischen basiert darauf mein gesamter workflow, denn dieser Farbraum gestattet es mir, mich um Farbwerte weitestgehend gar nicht kümmern zu müssen, sondern im Prinzip nach Monitoransicht so zu arbeiten, dass ich das, was ich am Monitor sehe, auch als Bild auf Papier nachher sehr exakt erhalte.
Dies ist ein rein praxisorientierter Erfahrungsbericht. Aber da ich hinsichtlich Farbmanagement keine tiefer gehenden Kenntnisse habe - es reicht aber hoffentlich für ein grundsätzliches Verständnis und eben dafür, meine Bilder verlässlich zu finalisieren [bzw. bei einem externen Dienstleister printen zu lassen] - würde es mich freuen, wenn mein Beitrag an geeigneter oder erforderlicher Stelle ergänzt wird.

Mein workflow sieht so aus, dass ich alle Arbeiten am Bild selbst vornehme und die fertige Datei schließlich nur noch im Labor belichtet wird.
sRGB wird als Farbraum aus verschiedenen Gründen immer wieder dann als Farbraum für fotografische Anwendungen empfohlen, wenn es um die Weitergabe der Daten an Printerdienste usw. geht. Hier habe ich festgestellt, dass die Ergebnisse zwar oft sehr nah an das gewünschte Ergebnis kommen, oft aber auch in hellen Bildbereichen zu wenig Zeichnung haben und die Verläufe von Schwarz nach Bildbereichen mit Zeichnung in den Tiefen sich doch in Nuancen unterscheiden von dem, was ich ursprünglich dachte. Zudem unterscheiden sich je nach Sättigung und Abstufung insbesondere Rot- und Grün-Nuancen.

Der Unterschied in der Arbeit mit Photogamut-RGB ist hier, dass dieser Farbraum alle Farben und Abstufungen sowie vor allem auch die Abstufungen in dunklen und hellen Bildbereichen bereits am Monitor so erscheinen lässt, wie es der Ausgabe sehr stark ähnelt. Beispiel: bei Landschaftsaufnahmen ist es im Gegensatz zu sRGB bei Monitorbetrachtung teilweise so, dass Grün "zusammenläuft", also "matschig" wird [oder zu sehr leuchtet]. Jetzt kann ich natürlich weiterhin sRGB verwenden und mich über satteres Schwarz und differenzierteres Grün am Monitor freuen. Bis zum Print, wo ich genau das wieder sehe, was mir bei Verwendung von Photogamut-RGB am Monitor bereist angezeigt wurde.
Also nutze ich Photogamut-RGB und justiere meine Gradation und mein Farbspektrum so, dass die Aufnahme meinen Wünschen entspricht. Am Anfang kann das irritieren, da der Bildeindruck teilweise deutlich anders ist, als der bei Ansicht im Farbraum sRGB.
Aber wenn man von vorneherein in Hinblick auf mögliche Ausgaben arbeitet, macht das selbstverständlich viel Sinn.
Und Photogamut-RGB umfasst eben nicht einen spezifischen Ausgabefarbraum, sondern ist so konzipiert, dass alle gängigen Druckausgabeverfahren in dem Farbraum enthalten sind.

(*1 + *3)
Anbei visualisierte Farbraum-Vergleiche PhotogamutRGB (farbig) mit sRGB (Gitter) -

Vgl. gemittelte Tintendruck- [glossy Papier] (farbig, oben) und RGB-Belichter-Profile (farbig, unten) mit sRGB (Gitter) -

Vgl. Photogamut-RGB mit den beiden Printerfarbräumen -

Ich selbst arbeite so, dass ich im RAW-Konverter "Capture One" [und Photoshop] Photogamut-RGB als Arbeitsfarbraum eingestellt habe. In diesem Farbraum erstelle ich in mein Bild und gebe es als 16bit-Tif aus. [Parallel gebe ich die identische Datei im Farbraum ProPhotoRGB aus - dies aber allein zu Archivierungszwecken, also um meine Datei im größtmöglichen Farbraum als Tif archivieren zu können; reines "Sicherheitsdenken" wer weiß, was aus dem RAW-Format wird.] (*2)

In Adobe Camera RAW oder Lightroom gibt es diese Option leider nicht. Hier kann aber die RAW-Datei als 16bit-Tif z.B. in ProPhotoRGB ausgegeben werden und danach in Photoshop relativ farbmetrisch oder perzeptiv nach Photogamut-RGB konvertiert werden. Ob angesichts der Größe von ProPhotoRGB und der damit einhergehenden Komplikationen eine relativfarbmetrische Konvertierung Sinn macht, kann ich nicht sagen, da mir hier jeder Vergleich fehlt [ich erhalte ja mein "jungfräuliches" Tif in Photogamut-RGB aus C1, daher bin ich diesen Weg noch nicht gegangen].

Bei der RAW-Konvertierung strebe ich inzwischen nicht mehr eine Datei an, die möglichst in allen Details finalisiert ist [was ich lange gemacht habe]. Zwar lege ich die Farbigkeit fest und grundsätzlich auch die Gradation, aber gerade in den tiefen Bereichen lasse ich noch etwas Luft, bleibe also noch ein wenig weicher und weniger schwarz, als es das Ergebnis dann oft wird. Zudem lasse ich mir Clipping ab Werten von 245 anzeigen [ohne das dann in jedem Einzelfall auch zu korrigieren].
In Photoshop finalisiere ich dann das Bild im Abgleich zwischen Normalansicht und Ansicht des Softproofs mit dem Profil des Papiers (*2), auf dem die Ausgabe erfolgt. Und auch hier zeigt der Softproof basierend auf einer Photogamut-RGB-Datei wesentlich konsistentere Ergebnisse als der Softproof einer Datei in sRGB. Daher der etwas zugespitzte Titel des Threads.
Aber es funktioniert blendend und ich kann wirklich empfehlen, sich mit diesem Farbraum mal intensiver zu beschäftigen. Selbst auch, wenn ein Labor darauf besteht, die Daten in sRGB zu erhalten, so sind die Ergebnisse meiner Erfahrung nach konsistenter, wenn diese Konvertierung in sRGB aus dem zuvor in Photogamut-RGB erstellten Bild erfolgt.

Eine vollständige Beschreibung des Sinn und Zwecks des Farbraums sowie den Farbraum selbst [und die in der Abbildung genutzten gemittelten Druckerprofile] gibt es hier: http://www.photogamut.org
Die Seite sieht etwas verwaist aus - ich habe aber mal gefragt, ob's das Projekt überhaupt noch gibt. Gibt es - also wird es auch irgendwann ein update geben.

Beste Grüße.


(*1) Edit1: link aktualisiert
(*2) Edit2: die Konvertierung in ProPhotoRGB mache ich seit einiger Zeit nicht mehr. Auch gebe ich aus C1 keine 2 Tifs mehr aus. Vgl. folgendes Posting
(*3) Edit3: links aktualisiert. Wie man schön sehen kann, deckt sRGB die kleinen Druckfarbräume gar nicht vollständig ab. Während PhotogamutRGB die Druckerfarbräume komplett einschließt (auch ISOcoatedV2) und von der Gestalt her den Druckerfarbräumen stark ähnelt.

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RE: WYSIWYG Farbraum für Fotografie

#2 von tatatu , 07.06.2007 15:58

Ich würde gerne hier nochmals zusammenführen, was an anderer Stelle schon etwas unsystematischer und versprenkelt geschrieben wurde. Vielleicht springt ja irgendwann jemand auf diesen oder einen ähnlichen Zug auf oder nutzt PhotogamutRGB als Arbeitsfarbraum… dann wäre das also hier der passende Thread.

Also: Mein workflow in Capture One funktioniert so:
Ich nutze den Arbeitsfarbraum PhotogamutRGB, um von vorneherein zu simulieren, wie das Foto mal auf "irgend einem Drucker" aussehen wird und mit dieser simulierten Ansicht arbeite ich.
Wer seine Fotos ausschließlich für den Bildschirm (oder Projektionen) optimiert, der sollte von PhotogamutRGB besser die Finger lassen!
Bei mir landet aber das Bild mal auf die ein oder andere Weise auf "irgend einem Papier".

In Capture One stelle ich mein Bild so ein, dass es mir in der simulierten Ansicht mit PhotogamutRGB gefällt (dazu stelle ich den Farbraum in C1 also einfach Arbeitsfarbraum ein).
Dabei mache ich aber, wie oben schon gesagt, kein vollständiges Finish. Ich lege den Look fest in Form von Weißabgleich, Gradation usw. Allerdings achte ich darauf, es noch nicht so satt und kontrastreich zu machen, wie es am Ende werden wird. Ich will in dem Tif, das ich ausgebe, nämlich noch Reserven erhalten - und das ist natürlich am besten zu realisieren, wenn man das Histogramm dabei im Auge behält. Der Grund dafür ist dieser:
Ich gebe mein Tif aus C1 NICHT im Arbeitsfarbraum aus, sondern belasse es im Quellfarbraum, dem Kamera-Profil. Der Arbeitsfarbraum PhotogamutRGB dient mir in C1 also nur als Simulation.

Dieses Tif im Kamerafarbraum öffne ich in Photoshop. Da wird NICHT in den Arbeitsfarbraum konvertiert, sondern es bleibt im Kamerafarbraum. Allerdings stelle ich im Softproof PhotogamutRGB ein (egal mit welchem Rendering Intend, da das Kameraprofil von Phaseone nur perzeptiv beherrscht*).
Hier mache ich das Finish auf Einstellungsebenen (ganz unten liegt immer mein originales Tif). Das speichere ich ab, das ist meine "Master-Datei" mit allen Optimierungen in Hinblick auf Druck - also nochmals ganz explizit: in Hinblick auf "irgend einen" bzw. "jeden" Druck. Und das eben simuliert mit PhotogamutRGB. Dennoch liegt mein 16bit Tif weiterhin im bestmöglichen Farbraum vor: dem Quellfarbraum.
(Diese "Master"-Datei wandert ins Archiv. Für den Fall, dass ich jemals eine andere Ausgabe damit machen möchte, öffne ich dieses Master-Tif und korrigiere die Einstellungsebenen in Hinblick auf eben diese andere Ausgabe.)

Am Ende reduziere ich alles auf eine Ebene und erstelle eine Kopie (16bit Tif) im Farbraum PhotogamutRGB.
Das ist sozusagen mein Foto. Und diese Datei, nur diese, nutze ich dann zum Weiterverarbeiten.
Durch die Nutzung von PhotogamutRGB geht die Anpassung an ein spezifisches Papierprofil sehr, sehr schnell und unkompliziert (gleich, ob RGB-Belichter, Tintendruck oder ein anderes Druckverfahren – wobei sich meine eigenen Erfahrungen ausschließlich auf RGB-Belichter vor allem mit seidenmatten, aber auch glänzenden und metallic Papieren beziehen).

Ein ähnlicher Weg sollte eigentlich auch aus Lightroom, ACR oder anderen Konvertern heraus möglich sein. Zwar verwalten diese Konverter das RAW nicht in Form von icc-Profilen, so dass ich aus diesen Konvertern heraus im Quellfarbraum ausgeben kann.
Aber man könnte z.B. die Daten in ProPhotoRGB ausgeben und dann ab Photoshop alles so einstellen, wie ich es oben beschriebe habe. Das "Master" wäre dann ein ProPhotoRGB-Tif (16bit), das via Einstellungsebenen in Hinblick auf Druck (simuliert mit PhotogamutRGB) optimiert ist… ganz unten auf der Ebene aber "untouched" für jede künftige Eventualität erhalten bleibt.

Beste Grüße.


edit: falsch! Vom Kameraprofil nach PhotogamutRGB kann man in Photoshop auch relativ farbmetrisch konvertieren.


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