ZITAt ("binbald @ 6. 5. 2006 - 19.19 h) Wenn das Bokeh nun eine Objektiveigenschaft ist, wird es eigentlich bei der Berechnung des Objektivs berücksichtigt, bzw. lässt sich das eigentlich mit irgendwelchen Parametern vor (! der Herstellung berechnen oder festlegen? Oder ist das dann etwas, was man erst als Überraschung am Ende des Fertigungsprozesses begutachten kann?[/quote]
Gute Frage. Ich weiß es auch nicht. Was ich zu dieser Frage kenne, sind nur Gerüchte, Vermutungen und Andeutungen. Klare Aussagen zu dieser Frage habe ich bisher noch von keinem Optik-Hersteller gehört oder gelesen.
Auffällig ist jedenfalls, daß in früheren Zeiten, als die optischen Rechnungen bereits mit Computerunterstützung vollzogen wurden (was der Abbildungsleistung insbesondere von komplexen Optiken wie Weitwinkeln, Zooms und Lichtriesen einen kräftigen Schub versetzte), aber Bokeh im Bewußtsein der meisten Fotografen noch kein Thema war -- also in den '70er und '80er Jahren -- es einige Hersteller gab, deren Objektive generell ein gutes Bokeh hatten, einige, deren Produkte durchwachsen waren, und einige, deren Objektive durch die Bank ein grausliches Bokeh hatten. Wäre das Objektiv-Bokeh ein bloßes Zufallsprodukt, so hätten sich die Objektive mit gutem und die mit schlechtem Bokeh mehr oder weniger gleichmäßig auf die Hersteller verteilen müssen. Doch genau das taten sie nicht. Diese Tatsache leistet der Vermutung Vorschub, daß Objektiv-Bokeh zumindest zum Teil vom Konstrukteur planbar ist. Und daß einige Hersteller darauf achteten, und andere nicht.
Hersteller, deren Objektive sich generell durch gutes Bokeh auszeichnen, sind und waren seit jeher Leitz (heute Leica) und Minolta. Ein Hersteller, dessen Objektive für schlechtes Bokeh berüchtigt sind bzw. waren, ist Nikon. Letzterer aber scheint seit den '90er Jahren etwas mehr Wert auf Bokeh zu legen als früher, denn unter den modernen Nikkoren gibt's mittlerweile doch einige mit sehr schönem Bokeh -- was früher bei Nikon eine seltene Ausnahme war. Rokkore waren seit jeher auf eine harmonische Gesamtleistung getrimmt, Nikkore hingegen kompromißlos auf Kontrast und Schärfe ... was üblicherweise verheerende Auswirkung auf deren Bokeh hatte. Das Streben nach Harmonie wurde in Autofokus-Zeiten bei Minolta nicht zuletzt aufgrund zunehmenden Kostendrucks (und wohl auch wegen mangelnder Anerkennung seitens einer zunehmend unverständigen Kundschaft) mehr und mehr verwässert, leider ... doch ganz verleugnen läßt sich die alte Rokkor-Philosophie bis heute nicht.
Ich bin sicher, daß heute viele Konstruktionsparameter, die zu einem schönen Objektiv-Bokeh führen, bekannt sind. Vielleicht sogar alle. Unzweifelhaft ist, daß die Optimierung einer Optik auf schönes Bokeh den Komplexitätsgrad der Konstruktion um einige Dimensionen erhöhen würde. Und weil andere Kriterien in der Regel wichtiger sind, darunter nicht zuletzt der Preis, wird eine weniger wichtige Eigenschaft wie "schönes Bokeh" typischerweise als erste geopfert, wenn mehrere andere einander widerstrebene Anforderungen unter einen Hut zu bringen sind.
ZITAt (Dennis @ 6. 5. 2006 - 19.27 h) Ich finde es doch recht interessant, wie Du den Zusammenhang zwischen Unschärfescheibchen und Unschärfezeichnung negierst ...[/quote]
Wie kommst du nur auf die absurde Idee, ich würde diesen Zusammenhang negieren? Das begreife ich nicht! Ich sage, da gibt's neben diesem Zusammenhang noch mehr Zusammenhänge, und daraufhin behauptest du, ich würde ihn "negieren"?
ZITAt (Dennis @ 6. 5. 2006 - 19.27 h) Ein Unschärfescheibchen von einem Gegenstand, der z. B. 1 m hinter der Schärfeebene liegt, kann sich von einem Unschärfescheibchen von einem Gegenstand, der 100 m dahinter liegt, unterscheiden.[/quote]
Na prima, dann sind wir uns ja schon einmal in diesem Detail einig. Und der Verlauf dieses Unterschiedes ergibt sich nicht aus einem einzelnen Unschärfescheibchen. Du bestreitest nun schon zum wiederholten Male, von "einem einzelnen" Scheibchen gesprochen zu haben -- na, dann rate mal, von wem das folgende Zitat stammt: "alle optischen Faktoren eines Objektives kondensieren sich im Unschärfe-Scheibchen. [...] beschreibt das einzelne Scheibchen quasi das Bokeh in Reinstform."
ZITAt (Dennis @ 6. 5. 2006 - 19.27 h) Ach ja, da habe ich noch einen Hinweis gefunden, der mich widerlegt: "The Japanese call the character of an unsharp image its 'Bokeh'."
Er sagt also, dass die Unschärfedarstellung im Bild in Japan mit Bokeh bezeichnet würde.[/quote]
Das sagt nicht nur, wie die Japaner das nennen (und damit, wie der Ausdruck "Bokeh" als fotografischer Begriff überhaupt in die Welt gesetzt wurde) -- es sagt vor allem, worum es überhaupt geht. Nämlich um Bilder und deren Qualität (bzw. einen Aspekt ihrer Qualität).
ZITAt (Dennis @ 6. 5. 2006 - 19.27 h) In der westlichen Welt ist Boke (h) quasi ein Fachbegriff, der nicht unbedingt synonym mit dem japanischen Urwort sein muss. Aber wahrscheinlich ist es wirklich nicht sehr sinnig darüber zu diskutieren, ob man damit nun das oder jenes meint, weil es einfach keine eindeutige Definition gibt.[/quote]
Selbstverständlich gibt es sie. Es gibt sogar zwei ... und du hast bisher geruht, nur die eine zur Kenntnis zu nehmen. Nämlich die zweite, die nachrangige, die, deren Existenz sich erst aus der ersten ergibt. Die erste hast du soeben auf englisch zitiert. Und die zweite ist die, auf die du dich hier die ganze Zeit kaprizierst. Aber zum Glück ist deine etwas verzerrte Auffassung nicht maßgeblich für den ganzen Rest der westlichen Welt -- auch wenn du dir das einzubilden scheinst. Wohlgemerkt, was du als Bokeh verstehst, ist ja weitgehend schön und gut (von ein paar Merkwürdigkeiten bzgl. Ursachen und Wirkungen abgesehen) -- Bokeh im fototechnischen Sinne ist eine Objektiveigenschaft. Und man kann lang und breit darüber technische Artikel verfassen (und tut es auch).
Doch außerdem gibt es noch den Begriff des Bokeh im fotografischen Sinne -- als Bildeigenschaft. Und das ist überhaupt der zentrale und maßgebliche Begriff. Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, wie man das leugnen und einen "Beweis" dafür fordern kann -- das ist so, als ob du einen Beweis dafür forderst, daß zwei plus zwei vier ist. Oder als ob du behaupten wolltest, Schärfe sei nur eine Objektiveigenschaft, und Bildern könne man keine Schärfe zubilligen.
Und genau wie ein scharfes Objektiv eine (mal mehr, mal weniger) notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für ein scharfes Foto ist, so ist auch ein gutes Objektiv-Bokeh eine (mal mehr, mal weniger) notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung für ein Foto mit schönem Bokeh. Übrigens, falls dich der "mal mehr, mal weniger"-Zusatz verwirrt -- das soll bedeuten, daß für ein scharfes Bild nicht immer ein scharfes Objektiv erforderlich ist. Ist das Motiv detailarm und kontrastreich, so genügt auch ein weniger scharfes Objektiv.
ZITAt (Matthias @ 6. 5. 2006 - 19.41 h) Da Du Dich ja offensichtlich sehr intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt hast, tue uns doch mal den Gefallen und schreibe mal einen richtigen Grundlagenartikel dazu, statt hier (und in anderen Diskussionen) immer nur sinngemäß zu schreiben "da ist noch mehr". Das führt doch nicht weiter ...[/quote]
Es war und ist eigentlich nicht meine Absicht, einen solchen Grundlagenartikel zu schreiben (obwohl das sicher keine schlechte Idee wäre), denn dazu fehlt mir Lust und Zeit. Es liefe letztlich doch nur darauf hinaus, daß ich nur etwas ausführlicher die Dinge wiederholte, die ich hier bereits kurz angerissen hatte, garniert mit einigen Links und Zitaten ... die ich wiederum in stundenlanger Kleinarbeit zusammensuchen müßte. Schließlich habe ich nicht zu jedem Artikel, den ich in den letzten fünf Jahren zum Thema gelesen hatte, den Link parat ... zumal ich einige gar nicht im Internet, sondern in Büchern oder Zeitschriften gefunden hatte.
Nein, meine Absicht war lediglich, Dennis darauf aufmerksam zu machen, daß seine Auffassung erstens verdreht und zweitens unvollständig ist. Korrigieren und vervollständigen darf er's dann selber. Er weiß ja, wie so etwas geht.
Hm, mal sehen ... vielleicht schreibe ich doch noch mal so einen Artikel -- wenn ich mal gar nichts besseres zu tun habe ... B)
ZITAt (Matthias @ 6. 5. 2006 - 19.41 h) Ich sehe, ähnlich wie Dennis, Bokeh [...] als eine von eben dieser optischen Konstruktion abgeleitete Eigenschaft an ...[/quote]
Das ist ja auch richtig. Es ist nur nicht alles. Es gibt zwei Begriffe, die verwirrenderweise beide mit demselben Wort bezeichnet werden. Der eine Begriff meint eine Eigenschaft unscharf dargestellter Bereiche in einem Bild. der andere meint die Fähigkeit eines Objektives, diese Darstellung zum guten oder zum schlechten zu beeinflussen. Beide Begriffe hängen zusammen, sind aber nicht dasselbe und werden doch beide mit demselben Wort bezeichnet.
ZITAt (Matthias @ 6. 5. 2006 - 19.41 h) ... aber eben immer noch als eine Eigenschaft des Objektivs an, nicht des Bildes.[/quote]
Natürlich ist eine Eigenschaft eines Objektives keine Eigenschaft eines Bildes. Nochmal: es handelt sich um zwei Begriffe. Meine Güte, es muß doch möglich sein, zwei begriffliche Konzepte auseinanderzuhalten, selbst wenn sie mit demselben Wort benannt werden! Als ob es in unserer Sprache nicht auch andere doppeldeutige Wörter gäbe ... mit der Tatsache, daß sowohl ein Objektiv als auch ein Bild "scharf" sein kann, hast du doch auch keine Probleme, oder? Von scharfen Messern, Gewürzen oder Weibern ganz zu schweigen ... /wink.gif" style="vertical-align:middle" emoid="" border="0" alt="wink.gif" />
-- Olaf