RE: Schärfentiefenverteilung beim Abblenden

#1 von optical , 16.05.2005 14:46

Hallo,

neulich las ich in einem VHS-Script, dass sich beim Abblenden die Schärfentiefe nicht symmetrisch um die gewählte Schärfeebene ausbreitet, sondern nach "hinten" doppelt so schnell steigt wie nach vorne (Richtung Blende).
Etwas verwundert darüber, sackte diese vermeindliche Tatsache ab, lies mir aber keine Ruhe. Mir fällt kein logisch nachvollziehbarer Grund ein, warum es so sein sollte. Inzwischen vermute ich eher, es ist falsch. Weder im Netz noch in meinen Büchern fand ich auf die schnelle eine Antwort.
Nun also geht die Frage an euch, liebe Theoretiker. ;-)

Viele Grüße,
--marc



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RE: Schärfentiefenverteilung beim Abblenden

#2 von Dat Ei , 16.05.2005 15:04

Hey Marc,

die Aussage als solche ist schon richtig. Die Schärfe verteilt sich bzgl. vor und hinter dem Fokus im Verhältnis 1:2. Theoretisch herleiten kann ich Dir die Kiste aber auch nicht - da halte ich es ganz pragmatisch und merk's mir einfach.


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RE: Schärfentiefenverteilung beim Abblenden

#3 von JayBee , 16.05.2005 15:16

Gelesen habe ich die 1:2- Verteilung auch.
Austesten kannst du das ganz einfach, indem du einen liegenden Zollstock mit Fixpunkt bei 1m einfach mit verschiedenen Blenden fotografierst...
Wollte ich auch schon machen, bin aber noch nicht dazu gekommen, habe im Moment auch keine Zeit dazu...



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RE: Schärfentiefenverteilung beim Abblenden

#4 von optical , 16.05.2005 15:23

Die Frage ist, ob das Ergebnis eines solchen Tests nur für "Fallsituation Zollstock" gilt oder immer. Warum könnte das Verhältnis nicht auch 1:1, 1:3, 1:4 usw. sein?



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RE: Schärfentiefenverteilung beim Abblenden

#5 von HorstE , 16.05.2005 15:28

Das schreibt Scheibel in seinen Büchern auch. Danach erstreckt sich die Schärfentiefe bei kleineren Maßstäben als etwa 1:10 - ausgehend vom Einstellwert - zu etwa 1/3 in Richtung Kamera und zu 2/3 von der Kamera weg.
Im Nah- und Makro-Bereich ist dann die Schärfentiefe zu gleichen Bereichen vor und nach dem Einstellwert verteilt.
Eine Begründung dagür habe ich allerdings nicht gefunden.

Gruß Horst


Edit:
Das kann man aber auch an den Schärfentiefenmarkierungen der Objektive (Festbrennweiten) sehen... /wink.gif" style="vertical-align:middle" emoid="" border="0" alt="wink.gif" />



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RE: Schärfentiefenverteilung beim Abblenden

#6 von 01af , 17.05.2005 00:51

Zitat von Marc "optical"
Neulich las ich in einem VHS-Script, dass sich beim Abblenden die Schärfentiefe nicht symmetrisch um die gewählte Schärfeebene ausbreitet, sondern nach hinten doppelt so schnell steigt wie nach vorne (Richtung Blende).


Was in jenem VHS-Skript steht, ist Quatsch. Richtig ist lediglich, daß sich die Schärfentiefe nicht symmetrisch vor und hinter der Einstellebene erstreckt, sondern nach hinten stets größer ist als vorn. Doch um wieviel sie hinten größer ist als vorn, hängt von der Entfernung ab. Das Verhältnis ist keineswegs immer 2:1, nicht einmal meistens ... auch wenn das in vielen Lehrbüchern so steht.

Tatsächlich beträgt die Verteilung hinten:vorn im extremen Nahbereich annähernd 1:1 und verschiebt sich bei zunehmender Entfernung kontinuierlich zugunsten des hinteren Bereiches, bis hin zu oo:1 (oo = "unendlich". Dabei wachsen -- unter unsonsten gleichbleibenden Umständen -- mit zunehmender Einstellentferung immer sowohl der vordere als auch der hintere Schärfenbereich an ... aber der hintere stets schneller als der vordere.

Aus der Kontinuität der Veränderung von (fast) 1:1 bis oo:1 folgt, daß es immer auch eine Entfernung geben muß, bei der die Verteilung tatsächlich grad mal 2:1 beträgt. Das ist in der Regel so bei einer mittleren Entfernung der Fall -- was aber "mittel" ist, hängt wiederum vom Bildwinkel und von der Blende ab. Bei kürzeren Entfernungen bzw. größeren Blenden ist das Verteilungsverhältnis kleiner, bei größeren Entfernungen bzw. kleineren Blenden größer.

Am größten sind sowohl der Schärfebereich als auch dessen Verteilungsverhältnis hinten:vorn bei Einstellung auf die hyperfokale Entfernung. Bei Einstellung auf noch größere Entfernungen nimmt das Verhältnis formal wieder ab, doch ist eine konkrete Angabe dann nicht mehr sinnvoll, weil es gegen ooo strebt. Dieses "Verhältnis" wird bei Einstellung auf oo erreicht -- dabei ist also der vordere Schärfebereich unendlich groß (nämlich von der hyperfokalen Entfernung bis unendlich*)) und der hintere ebenfalls (nämlich von unendlich bis unendlich).

-- Olaf
__________________________
*) Und grad das ist auch die Definition der hyperfokalen Entfernung: es ist die vordere Grenze desjenigen Schärfenbereiches, der sich für die betrachtete Blende ergibt, wenn das Objektiv auf unendlich eingestellt ist.



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RE: Schärfentiefenverteilung beim Abblenden

#7 von Dennis , 17.05.2005 01:38

Die Schärfentiefe verteilt sich zunächst absolut symmetrisch um die Bildebene. Sie wird bestimmt von dem auftreffenden Strahlenkegel und der Definition, was "unscharf" heißt. Allgemein wird da ein Wert von 0,03mm für KB angenommen. Der Strahlenkegel ist logischerweise symmetrisch, spitzt sich Richtung Bildebene zu, und weitet sich dahinter wieder auf. Alle auf der Bildebene auftreffenden Strahlenkegel, deren Durchmesser nicht größer als 0,03mm ist, werden als scharf definiert.

Bei einem einfachen optischen Aufbau teilt man das gesamte System in Bildweite und Gegenstandsweite auf. Die Bildweite ist (vereinfacht) der Abstand zwischen Bildebene (Film, Sensor) und Objektiv (wir unterstellen hier mal eine Art "optischen Mittelpunkt", die Gegenstandsweite zwischen Gegenstand und Objektiv. Wenn man fokussiert, verändert man die Bildweite, und somit auch die Gegenstandsweite. Ist die Bildweite gleich der Brennweite, dann hat man auf Unendlich fokussiert. Vergrößert man die Bildweite, dann fokussiert man auf nähere Gegenstände, sprich: Die Bildweite wächst, die Gegenstandsweite schrumpft. Das alles gehorcht der einfachen Gleichung:

1/f = 1/b + 1/g

Man sieht sofort, daß das gar nicht linear ist, und wenn man ein wenig mit den Werten rumspielt, stellt man schnell fest, daß für sehr große g nur minimale Änderungen von b passieren. Und je kleiner g wird, desto größer werden die Änderungen bei b:

f = 50mm:

1
2
3
 
g = 100m -> b = 50,025mm
g = [nbsp][/nbsp]10m -> b = 50,251mm
g = [nbsp][/nbsp] 1m -> b = 52,631mm
 



Man benötigt also für größere Entfernungen kleinere Bewegungen der Optik, als für kleinere Enfernungnen. Oder: Ich fokussiere auf den Punkt G und habe somit meine Bildweite im Punkt B fixiert. Bewege ich jetzt die Optik um den gleichen Betrag x in jeweils beide Richtungen (ich bin dann bei b-x und b+x) und fokussiere damit zwei neue Punkte vor und hinter G an, dann liegt die weitere Entfernung weiter von G weg, als die nähere Entfernung.

In Zahlen:

1
2
3
4
 
g = 5,05m -> b = 50,5mm
x = 0,3mm:
1.: b = 50,2mm -> g = 12,550m -> dg = 7,500m
2.: b = 50,8mm -> g = [nbsp][/nbsp]3,175m -> dg = 1,875m
 



Ich fokussiere auf eine Entfernung von 5,05 m, dann ist meine Bildweite genau 50,5 mm. Verringere ich die Bildweite um 0,3 mm auf 50,2 mm, dann verschiebt sich mein Fokus auf 12,55 m, vergrößere ich die Bildweite um 0,3 mm auf 50,8 mm dann liegt mein Fokus bei 3,175 m. Beide Gegenstandsweiten erzeugen, wenn die Bildebene bei 50,5 mm liegt, gleich große Unschärfekreise, aber die Entfernungen im Gegenstandsraum sind sehr unterschiedlich: Einmal 7,5 m und einmal knappe 1,9 m.



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RE: Schärfentiefenverteilung beim Abblenden

#8 von optical , 17.05.2005 18:33

@Olaf & Dennis

Danke für Eure Ausführungen, denke es verstanden zu haben. Das erklärt auch, warum im Makro- bzw. Nahbereich die Brennweite weitaus geringeren Einfluß auf die Tiefenschärfe hat, als bei entfernteren Einstellebenen.



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RE: Schärfentiefenverteilung beim Abblenden

#9 von 01af , 12.12.2005 15:29

Zitat von Dennis
Die Schärfentiefe verteilt sich zunächst absolut symmetrisch um die Bildebene.


Das ist Unsinn. Offensichtlich verwechselst du Schärfentiefe mit Abbildungstiefe. Erstere befindet sich im Gegenstandsraum und ist asymmetrisch zur Einstellebene; letztere befindet sich im Bildraum und ist symmetrisch zur Bildebene.


Zitat von "optical"
Das erklärt auch, warum im Makro- bzw. Nahbereich die Brennweite weitaus geringeren Einfluß auf die Tiefenschärfe hat, als bei entfernteren Einstellebenen.


Wie bitte!? Wie kommst du denn darauf? Es erklärt nichts dergleichen, denn das stimmt ja auch gar nicht. Verdoppelst du im Makrobereich die Brennweite, so halbierst du die Schärfentiefe -- ich kann darin keinen "weitaus geringeren Einfluß" erkennen als in anderen Entfernungsbereichen auch (von unendlich mal abgesehen).

-- Olaf



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RE: Schärfentiefenverteilung beim Abblenden

#10 von optical , 12.12.2005 16:09

Zitat von 01af
Verdoppelst du im Makrobereich die Brennweite, so halbierst du die Schärfentiefe


Das ist pauschalisiert und stimmt so nicht, weil der Faktor, um den die Schärfentiefe abnimmt in deinem Beispiel - und natürlich auch sonst - abhängig von der Gegenstandsweite ist. Definiere "Makrobereich".

Marc



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RE: Schärfentiefenverteilung beim Abblenden

#11 von 01af , 12.12.2005 16:32

Zitat von "optical"

Zitat von "01af"
Verdoppelst du im Makrobereich die Brennweite, so halbierst du die Schärfentiefe


Das ist pauschalisiert und stimmt so nicht, weil der Faktor, um den die Schärfentiefe abnimmt in deinem Beispiel -- und natürlich auch sonst -- abhängig von der Gegenstandsweite ist.



Ja, wenn du jetzt Haare spalten willst ... gut, es ist annähernd eine Halbierung. Auf jeden Fall ist es nicht so, wie du meintest verstanden zu haben, daß die Brennweite im Makrobereich einen viel geringeren Einfluß auf die Schärfentiefe hätte als bei größeren Entfernungen.


Zitat von "optical"
Definiere "Makrobereich".


Große Abbildungsmaßstäbe.

-- Olaf



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RE: Schärfentiefenverteilung beim Abblenden

#12 von Dennis , 12.12.2005 16:59

Zitat von 01af

Zitat von Dennis
Die Schärfentiefe verteilt sich zunächst absolut symmetrisch um die Bildebene.


Das ist Unsinn.



Nein, das ist kein Unsinn, sondern nur Deine Interpretation ist vielleicht Unsinn.

Der Strahlenkegel liegt symmetrisch um die Bildebene, und ist (idealerweise) 1mm davor exakt so weit aufgefächert, wie 1mm dahinter. Dass die korrespondierenden Entfernungen im Gegenstandsraum symmetrisch um die Schärfeebene liegen habe ich nicht gemeint.

ZITATWie bitte!? Wie kommst du denn darauf? Es erklärt nichts dergleichen, denn das stimmt ja auch gar nicht. Verdoppelst du im Makrobereich die Brennweite, so halbierst du die Schärfentiefe[/quote]

Seit wann hängt im Makro-Bereich die Schärfentiefe von der Brennweite ab? /huh.gif" style="vertical-align:middle" emoid="" border="0" alt="huh.gif" />
Sie hängt ab vom Abbildungsmaßstab, und ist insbesondere auch von der Objektivkonstruktion abhängig:
ZITAT…in the macro regime, the DOF is not affected by the choice of focal length. This is only true, however, when lenses of symmetrical design are compared. For magnifications smaller than, say, 0.1 the lens symmetry actually needs to be taken into account. This can be done via the pupil magnification P (Eq. 1). As a rule of thumb, P equals one for symmetrical designs, is larger than one for retrofocus lenses and smaller than one for telephoto lenses. The below calculation shows the depth of field at unit magnification calculated for two existing macro lenses, the Carl Zeiss Planars 2.8/60 and 2.8/100. The former is a nearly symmetrical design (P=1), the latter departs somewhat towards a telephoto design (P=0.7). Consequently, the 100-mm lens offers more DOF than the 60-mm lens. At f/8 the difference is a mere 0.2 mm, which is a small number, but at the same time it is as much as a 20% difference.[/quote]Van Walree



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RE: Schärfentiefenverteilung beim Abblenden

#13 von Defenseless ( gelöscht ) , 12.12.2005 17:16

Ich liebe Eure Diskussionen /biggrin.gif" style="vertical-align:middle" emoid="" border="0" alt="biggrin.gif" />

Im Ernst jetzt, wo kann man schon mehr lernen als wenn Dennis und 01af miteinander Diskutieren?

*so Popcorn und Chips bereitgestellt*

Es kann weitergehen...in der Hoffnung noch viel über Strahlenkegel und dergleichen zu lesen.

Das Einzige was ich mir wünschen würde, wäre ein Ergebnis bzw. eine Einigung was stimmt und was nicht...

LG
Werner



Defenseless

RE: Schärfentiefenverteilung beim Abblenden

#14 von optical , 12.12.2005 17:19

Zitat von 01af
Ja, wenn du jetzt Haare spalten willst ... gut, es ist annähernd eine Halbierung.


Wie kommst du dadrauf? Einfaches Beispiel: 100mm vs. 50mm, Blende 8, Gegenstandsweite 40cm und schon ergibt sich ein Unterschied in der Schärfentiefe um ca. Faktor 5.

Marc



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RE: Schärfentiefenverteilung beim Abblenden

#15 von Dennis , 12.12.2005 17:28

Zitat von optical
Einfaches Beispiel: 100mm vs. 50mm, Blende 8, Gegenstandsweite 40cm und schon ergibt sich ein Unterschied in der Schärfentiefe um ca. Faktor 5.


Es hängt am Abbildungsmaßstab, der sich aus Brennweite und Entfernung ergibt. Daher ist weder die Aussage, dass die Schärfentiefe von der Brennweite abhängt, noch die Aussage, dass sie von der Entfernung abhängt, in dieser Form richtig. Sie hängt von der Kombination dieser beiden ab, und das ist nun mal der Abbildungsmaßstab.



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