Liebe Technik-Fans.
Ich habe hier ein paar verstreute, nicht unbedingt offensichtliche Informationen zusammengestellt, die ich aus dem Studium verschiedener Service-Manuals für Minolta-SLR-Gehäuse gezogen habe. Für einige hier ist das sicherlich nichts Neues, aber vielleicht helfen diese Details anderen bei der genaueren technischen oder historischen Klassifizierung von Minolta-Kameras und -Zubehör.
Fangen wir mit der Minolta XD-7 (auch bekannt als XD-11 oder XD) an, die offensichtlich auch die Basis für die Leica R4 und R5 war. Die XD-7 besaß einen modular aufgebauten, über Impulsmagnete elektronisch steuerbaren, aber mechanisch ablaufenden vertikalen (! Lamellenverschluß der Firma Seiko, Modell MFC, der in leichten Abwandlungen auch in der XD-5 und in diversen SLR-Modellen anderer Hersteller Verwendung fand.
Als Besonderheit ist anzumerken, daß die Verschlußzeiten "B" (bulb) und "O" (1/100s) rein mechanisch, d.h. auch ohne Batterien verfügbar blieben - die XD-7 war (neben der XD-5 und wohl auch der XD-s) meines Wissens das letzte Minolta-Gehäuse, das dieses Feature bot.
Gleichzeitig ist diese schnellste mechanische Zeit auch die X-Blitz-Synchronisationszeit, was im Vergleich zu späteren Modellen (bis zur Einführung der AF-Serie) sehr kurz war, Standard blieb noch eine ganze Weile über 1/60s.
Irgendwo (nicht im Service Manual) habe ich gelesen, daß die Kamera in Zeitautomatik Verschlußzeiten bis hin zu etwa einer 1/2300s stufenlos ansteuern und korrekt belichten konnte, obwohl der Verschluß offiziell nur bis 1/1000s spezifiziert war. Ob das stimmt, vermag ich nicht zu sagen.
Die Steuerelektronik der Kamera (wir reden immerhin von einem Zeitraum 1977 - 1980, also noch vor der Einführung des IBM PC) basierte noch auf nur teilweise integrierten Schaltkreisen, die zwar schon als "Computersteuerung" bezeichnet wurden, aber definitiv reine Analogelektronik enthielten (wohingegen man heutzutage unter Computer eigentlich immer ein digital getaktetes und rückgekoppeltes Rechenwerk versteht).
Interessant ist auch die sog. APEX-Steuerung, die Ungenauigkeiten in der Blendenansteuerung durch Verschlußzeitkorrekturen auszugleichen versuchte - ein Feature, das bei den späteren digitalen Steuerungen leider wieder unter den Tisch gefallen ist, obwohl es auch da manchmal noch sinnvoll wäre (z.B. bei der Nutzung von Spezial- oder Fremdzubehör).
Laut (inoffiziellem) Servicebuch beträgt das Auflagemaß ("flange-focal distance" oder auch "camera register" genannt) bei der XD-7 43,70mm (+0,02mm/-0,00mm), wohingegen in der mir bekannten freien Literatur (und im Netz) immer von 43,50mm für das MD-Bajonett die Rede ist (freie Öffnung 45mm Durchmesser, 54° Drehwinkel).
Bei der X-700 (die intern übrigens "2017-100" für das chromfarbene bzw. "2017-200" für das schwarze Modell hieß wird im offiziellen Service Manual ein Auflagemaß von 43,72mm (+0.01mm/-0,02mm) angegeben. Sollte das Auflagemaß bei der Fertigung oder nach dem Service nicht (mehr) exakt stimmen (zum Überprüfen gibt es spezielle Meßlehren), konnte man diverse von Minolta gelieferte hauchdünne Unterlegscheiben unter den vorderen Bajonettring legen (Dicke 0,02mm, 0,05mm oder 0,1mm), bzw. einen um 0,1mm dünner gefertigten Bajonettring einbauen.
http://www.mi-fo.de/forum/index.ph...st&p=110608
http://www.mi-fo.de/forum/index.php?s=&...st&p=229758
Ebenfalls interessant zu erwähnen ist, daß das Auflagemaß der X-700 auch im offiziellen Service Manual der Minolta 9000 AF noch einmal als Vergleichsbasis erwähnt, dort allerdings mit 43,70mm angegeben wird.
Zum Vergleich: Das dort spezifizierte Auflagemaß des neuen Minolta A-Bajonetts der AF-Kameras beträgt laut Manual exakt einen Millimeter mehr, in Zahlen 44,70mm (+0,01mm/-0,01mm), obwohl man in der freien Literatur immer nur von 44,50mm lesen kann (freie Öffnung ca. 50mm, 54° Drehwinkel) und, wenn man dem X-700 Service Manual trauen kann, eigentlich ein Unterschied von 0,98mm herrschen müßte.
Es gibt hier also offensichtlich einen geringfügigen aber durchaus kritischen Wildwuchs was die Informationen zu den Toleranzen der Auflagemaße angeht, und es ist auch denkbar, daß für die in den Service Manuals angegebenen Auflagemaße für den Abgleich ein anderer Referenzpunkt gilt als für die öffentlich dokumentierten Auflagemaße der Bajonette; ich vermute, in ersterem Fall wird mechanisch gegen die Andruckplatte einer Spezialrückwand gemessen, im zweiten Fall bezieht man sich möglicherweise auf die mittlere Schichtdicke eines Films, das könnte die offensichtlich durchgehend herrschende Diskrepanz von 0,2mm erklären. Vielleicht weiß ja jemand anderes mehr darüber, kennt sich gar mit den zugehörigen Normen aus?
Von der X-700 gab es neben der Unterscheidung zwischen silbernem und schwarzem Gehäuse und den beiden Ausführungen mit oder ohne Belichtungsspeicher ("AE-lock model" und "non AE-lock model", von denen zumindest ich nur die *mit* AE-Lock kenne, mindestens noch fünf verschiedene davon unabhängige interne Revisionen (Typ A bis E), von denen einige trotz laufender Massenproduktion nur einen temporären Charakter hatten (heute würde man sowas wohl "Hotfix" nennen). Inwieweit diese Revisionen möglicherweise von außen zu erkennen sind (z.B. anhand der Seriennummer oder anderer Details), habe ich nicht untersucht. Vgl. auch:
http://www.mi-fo.de/forum/index.ph...st&p=204055
Die X-700 hat eine Elektronenblitz-Synchronzeit ("X" von 1/60s (das dürfte hinlänglich bekannt sein) und eine im Service Manual explizit angegebene Blitzbirnen (flash bulb)-Synchronzeit ("FP" = focal plane shutter sync, siehe (*)) von einer 1/15s. Der Verschlußvorhang dieser Kamera (wie auch der der X-600, X-500, X-300 und XD-1) läuft (im Gegensatz zu heutigen Verschlüssen) horizontal (! ab, mechanische Notverschlußzeiten gibt es nicht. Die Kameraelektronik benutzt Hybridschaltkreise mit z.T. digitaler, getakteter Signalverarbeitung.
Zum kleineren Schwestermodell X-300 habe ich kein Service-Manual, aber wo wir hier schon bei Kuriosa sind, neben den bekannten Minolta-Revisionen X-300s, X-370s und X-370n gab es im Laufe der Jahre die baugleiche oder zumindest nahezu baugleiche Kamera auch von verschiedenen anderen Marken wie Porst?, Chinon? oder Seagull (wahrscheinlich auch noch andere).
Wahrscheinlich ist das auch mit ein Grund, warum auch Minolta selbst die X-370s bis heute anbietet (bestimmt aber nicht mehr lange nach der Fusion mit Konica).
Irgendwo habe ich auch mal gehört, daß eines dieser Lizenzmodelle der X-300 statt des Minolta-MD-Bajonetts ein Pentax-K-Bajonett besaß. Kann das jemand hier bestätigen oder ist das nur ein Gerücht?
Soweit zu diesen drei manuellen Kameras. In einem späteren Artikel werde ich ein paar interessante Infos zur AF-Serie zusammenstellen.
Viele Grüße,
Matthias
PS. Weitere ähnliche Kuriosa/Trivia oder auch einfach nicht landläufig bekannte technische Eckdaten fände ich übrigens hochinteressant zu erfahren...
PS. Nachtrag: Kleiner Exkurs zu Blitzsynchonzeiten:
- "X" für elektronische Blitzgeräte (bis zur jeweiligen sog. Synchronzeit des Schlitzverschlusses). Die Synchronzeit ist die Zeit, während der beide Verschlußvorhänge offen sind, bei kürzeren Zeiten läuft nur noch ein Schlitz über's Filmfeld - für klassische Elektronenblitze mit ihren extrem kurzen Blitzzeiten von 1/500 - 1/50.000s ungeeignet. Je kürzer die Synchronzeit der Kamera, desto mehr Freiheit behält man bei Blitzfotos mit Elektronenblitzen. Damals üblich 1/60 - 1/100s, heute oft 1/125 - 1/200s, in Profigehäusen auch 1/250 - 1/300s. Die Synchronisation erfolgt bei geeigneten Zeiten auf den voll geöffneten ersten Verschlußvorhang (bei sog. Synchronisation auf den zweiten Verschlußvorhang relativ kurz vor Schließen des zweiten Vorhangs, aber noch lange genug davor, so daß der gesamte Kurzzeitblitz noch im Bild "unterkommt". Siehe auch:
http://www.mi-fo.de/forum/index.ph...ost&p=79200
http://www.dyxum.com/dforum/forum_posts.as...D=200595#200595
- "FP" für focal plane shutter sync, also Blitzbirnen-Synchronisation für Schlitzverschlüsse. Vor der Einführung von Elektronenblitzen übliche Blitzmethode. Diese Blitze hatten eine deutlich längere Leuchtdauer (insbesondere spezielle F.P.-Blitzröhren mit etwa 15 - 20ms bis zum Erreichen der Maximalhelligkeit), daher stellte sich die Frage der kürzesten Synchronzeit noch nicht so wie bei der X-Methode oben. Allerdings muß der Blitz hier schon deutlich früher gezündet werden, nämlich vor dem Öffnen des ersten Verschlußvorhangs. Moderne Hs (S)-Elektronenblitze mit Stroboskop-Funktion können das Langzeitleuchtverhalten der alten Blitzröhren bis zu einem gewissen Grad simulieren, so daß man sie heute verwendet, um auch bei Belichtungszeiten blitzen zu können, die unterhalb der Synchronzeit der Kamera liegen. Dabei wird der Blitz vor dem Öffnen des Verschlusses gezündet und leuchtet dann über die gesamte Ablaufzeit des Verschlusses. Übliche Zeiten liegen also unterhalb der Synchronzeit der Kamera, früher also 1/100s oder schneller, heute bis zu 1/300s oder schneller. Ob diese Vorlaufzeiten heute noch eingehalten werden, ist nicht geklärt, schließlich gibt es keine Blitzbirnen mehr zu kaufen und für Elektronenblitze, die praktisch keinen Vorlauf brauchen, stellt sich das Problem nicht mehr wirklich, so daß man hier eigentlich den gleichen Zündzeitpunkt wie beim normalen X-Blitz verwenden kann - der Unterschied liegt lediglich darin, bei welchen Verschlußzeiten diese Methode verwendet werden kann und das sind in der Regel genau die, in denen die X-Methode nicht funktioniert.
- "M" (heute noch so bezeichnet bei Leica-Kameras zu finden) früher üblich für eine Synchronisation von 1/30s oder langsamer (für M-Blitzbirnen mit 20ms bis zum Erreichen der Maximalhelligkeit).
- "F" früher üblich für eine Synchronisation von 1/30s oder langsamer (für F-Blitzbirnen mit 5ms bis zum Erreichen der Maximalhelligkeit).
PS. Zum Thema Auflagemaße ist sicherlich auch der folgende Artikel interessant:
http://www.mi-fo.de/forum/index.ph...ost&p=89108
http://www.dantestella.com/technical/flange.html