ZITAT(MatthiasM @ 2011-06-10, 10:10) in meinen Augen macht KB- Analog nur noch Sinn, wenn Du auf die vollen kreativen Möglichkeiten der klassischen nassen Labormethoden setzt. Wenn das Endprodukt sowieso digital sein soll, würde ich an Deiner Stelle heutzutage den ganzen Workflow digital machen.[/quote]
Mir fallen noch weitere Gründe ein (die zum Teil ineinandergreifen):
- Anmutung: Analoge und digitale Bilder sehen anders aus. Was man besser findet, ist allerdings sicherlich Geschmackssache, insofern für einige ein möglicher Grund, analog zu arbeiten, aber kein genereller Vorteil.
- Preis: Zwar werden Filme und deren Entwicklung immer teurer, aber dafür sind die Einstiegskosten in die analoge Fotografie sehr viel geringer als in die digitale Fotografie, die vielfältige Folgekosten mit sich zieht, die man sich oft nicht klarmacht (leistungsfähiger Computer, Monitor, Drucker, Kartenleser, Betriebssystem- und Anwendungssoftware, Backup-System, Beamer). Schon allein eine Einsteiger-DSLR kostet mehr, als wofür man in der analogen Fotografie eine ganze durchaus hochwertige Grundausrüstung bekommt.
- Flexibilität: Mit dem Filmbild als Ausgangprodukt hat man alle Freiheiten für eine analoge oder digitale Nutzung und/oder Weiterverarbeitung. Mit einem digitalen Bild entfallen viele dieser Möglichkeiten.
- Diaprojektion: Selbst mit Beamern in der 10.000 Euro Klasse kommt man nicht annähernd an das Erlebnis einer Projektion eines Dias mit einem vernünftigen Diaprojektor heran. (Inzwischen sind selbst High-End-Diaprojektoren als Restposten schon für 300 - 500 Euro inklusive Spitzenoptik zu bekommen, gebraucht ist man schon für 200 - 300 Euro dabei.)
- Unikat: Ein Foto auf Film ist ein Einzelstück, ein konkreter Gegenstand, der in der realen Welt existiert. Nicht nur die Welt abzubilden, sondern auch selbst etwas in ihr neu zu erschaffen, übt einen besonderen Reiz aus - vermutlich rührt das irgendwo an unsere Urinstinkte. Ein digitales Bild ist hingegen nur eine willkürlich kopierbare abstrakte Ansammlung von Bits in einer Datei - mit einer anderen zugrundeliegenden Interpretationsvorschrift sähe die Bitansammlung völlig anders aus, und ohne Wissen um die jeweilige Interpretationsvorschrift ist die Bitansammlung völlig wertlos. Es existiert nur eine "Idee" von einem Bild, aber nicht das Bild selbst.
- Zugang: Jeder kann einen Negativstreifen oder ein Dia einfach in die Hand nehmen, gegen das Licht halten und betrachten. Es bedarf im einfachsten Fall keinerlei Werkzeuge oder Hilfsmittel dafür. Das funktioniert überall auf der Welt, heute genauso wie vor hundert Jahren - und wie in hundert Jahren. Ohne Strom, ohne Computer, auch nach einem Krieg, auch nach dem Zusammenbruch einer Zivilisation, ohne Anleitung und Interpretationsvorschrift.
- Archivfestigkeit: Daß Negative und Dias bei halbwegs guter Lagerung ohne weiteres Zutun viele Jahrzehnte (und einige Typen auch länger) schadlos überdauern können, ist erwiesen. Versucht aber mal heute, Daten zu lesen, die auf Computern vor 20 Jahren geschrieben wurden. Selbst wenn die Medien noch intakt sind und keine Bits gekippt sind (wovon man nicht ausgehen darf und was bei digitalen Daten u.U. sofort den Komplettverlust bedeuten kann - analog hätte man nur einen Kratzer), scheitert ein solches Unterfangen für die meisten Computernutzer daran, daß sich die Aufzeichnungsmedien, die Schnittstellen, Dateisysteme und Dateiformate geändert haben. An einen modernen Computer lassen sich alte Medien oft nicht betreiben; selbst wenn man sie mit Aufwand angeschlossen bekommt, scheitert es oft an fehlenden Treibern. Und auch wenn man die Bilddaten schon in Dateien auf einem modernen Rechner vorliegen hat, fehlen oft Programme, mit denen man sie noch öffnen kann - und die alten Programme laufen oft nicht unter aktuellen Betriebssystemen. Wer also nicht alle paar Jahre seine Daten umkopiert und konvertiert (was verlustbehaftet sein kann), wird fast zwangsläufig nach ein paar Jahren nicht mehr auf seine alten Aufnahmen zugreifen können. Digitale Fotografie ist eine sehr kurzlebige Angelegenheit, praktisch und qualitativ gut für den Augenblick, aber nicht zum dauerhaften Festhalten von Erinnerungen oder zur Dokumentation von Ereignissen etc. Daß wir heute die Bilder unserer Vorfahren betrachten können, ist glückliche Fügung oder Privileg, in jedem Fall aber Resultat der Fotografie auf Film. Von wenigen Ausnahmen abgesehen werden unsere Kindeskinder das mit unseren (digitalen) Aufnahmen nicht können.
Viele Grüße,
Matthias