Im Zusammenhang mit einer Fotospiegel-Serie über die klassischen Zeiss-Objektive (Tessar, Sonnar, Planar/Biotar, Biogon) war ich über's Wochenende mit der A900 und einem adaptierten CZJ 2.8/180mm "Olympia-Sonnar" in Pisa und Firenze. Hier ein paar ganz persönliche Eindrücke von dieser legendären Optik, die als erstes "Sportobjektiv" in die Geschichte einging.
Mein 2.8/180mm stammt aus der ersten Nachkriegs-Serie und hat ein Exakta-Bajonett. Die Fassung ist schwarz und vom Design her sehr gut zur A900 passend. Dasselbe gilt auch für die Haptik - obwohl die Kombination A900 & VG & Olympia-Sonnar fast 3 kg (!! schwer ist, liegt sie durch die sehr kurze Bauweise doch ausgesprochen gut in der Hand; deutlich besser jedenfalls als das gleich schwere, aber viel zu kopflastige 2.8/70-200 G SSM.
Vorarbeiten
Das Olympia-Sonnar ist mechanisch sehr einfach aufgebaut und lässt sich leicht zerlegen/zusammenbauen. Mein Olympia-Sonnar hatte Pilz und war and den Linsenrändern trüb durch einwandertes Oel aus dem Schmierfett des Schneckenganges / Blendenmechanismus. Ich habe die Optik zerlegt (für das Ausschrauben des vorderen, mit "Carl Zeiss Jena Sonnar 2.8/180" beschrifteten Ringes waren einige Tröpfchen Kriechöl notwendig), gereinigt, und neu gefettet. Zudem habe ich ein Alpha-Bajonett anbringen lassen, das sich aber entfernen lässt, wenn man das Exakta-Bajonett nutzen will.
Detailausflösung & Kontrast
Das gereinigte (! Olympia-Sonnar zeichnet in der Bildmitte ähnlich detailreich wie ein MinAF AF 2.8/200 APO oder ein MinAF/SAL 2.8/70-200 G, hat aber bei f2.8 einen geringeren Kontrast als die "neuen" Optiken. Zum Bildrand hin lassen aber die Details aber bei Offenblende etwas stärker nach als beim 70-200G; das Olympia-Sonnar dürfte auch etwas schwächer sein als das MinAF 2.8/80-200 APO. Bei f2.8 zeichnet die Optik eher weich, abblenden auf f4 bringt den Mikrokontrast auf Werte, wie man sie vom 70-200G gewohnt ist. Ab f5.6 ist die Bildleistung top und durchaus auf dem Niveau der genannten Minolta/Sony-Spitzenzooms, teils sogar etwas besser. Chromatische Aberrationen treten gleich wenig auf wie beim 2.8/200 APO - dies ist doch sehr beachtlich für eine Rechnung aus den 1930er Jahren!! Einzig der tiefblaue Bereich ist deutlich weniger gut korrigiert - was bei Punktlichtquellen und Offenblende zu tiefblauen, durchaus ästhetischen "Halos" führt. Überstrahlungen der Spitzlichter treten recht häufig auf; ihre Gestalt ist aber angenehm ("The Glow", wenn auch nur bei 100% crops deutlich sichtbar.
Zusammengefasst: In etwa auf dem Level des MinAF 2.8/80-200 APO, aber mit einer durchaus eigenen Charakteristik, die sich angenehm abhebt von den heutigen Teles.
Bokeh
Sonnar-typisch ist das Bokeh eher bei f2.8 eher kringelig. Das ganze aber auf eine noch tolerierbare Art und Weise, also nicht wirklich unruhig, da die Kringel nicht scharf begrenzt ausfallen. Ab f4 entfallen diese Probleme. Alles in allem sehr ähnlich wie beim MinAF 1.4/85mm.
Haptik und Scharfeinstellung
Die grösste Überraschung war für mich, wie präzise und leicht sich das Olympia-Sonnar an der A900 fokussieren liess - und dies durchaus nicht nur bei statischen Motiven! Man stützt die schwere Optik mit dem Handballen am Stativanschluss und fokussiert mit Daumen und Mittelfinger, schnell und durch den nicht zu steil ausgelegten Schneckengang eben auch präzise. Der exzellente Sucher der A900 führt dazu, dass man trotz fehlender Einstellhilfen/Schnittbildindikator punktgenau fokussieren kann; dies hatte ich absolut nicht erwartet, sind doch die modernen Tele-Optiken sowohl mit AF als auch mit MF nur schwer präzise zu fokussieren (ich weiss da ein Lied von zu singen dank der Objektivtesterei).
Weitere Überraschung: Dadurch, dass ich irgendwo auf der Mattscheibe fokussieren kann, bin ich bei der Street Photography mit MF schneller als mkit dem AF der A900 und SSM-Zooms. Natürlich ist der AF ans ich schneller - da ich aber im AF-Betrieb immer erst zielen/fokussieren und dann den Ausschnitt festlegen muss, bin ich mit dem Olympia-Sonnar übers ganze gesehen deutlich flinker als mit einem 70-200G oder einem 2.8/200 APO. Die Folge: ungewöhlich ausdrucksstarke Bilder und Bildserien, da ich immer im entscheidenden Moment adrücken kann (die linke Hand fokussiert kontinuierlich).
Und noch eine dritte Überraschung: da ich mit dem MF "alles selbst mache", fühlt sich der Geist wesentlich ungestörter an - ich bin im Flow, ohne städig von einem AF-System abgelenkt zu werden, das immer unter Kontrolle gehalten werden will. Irgendwie viel entspannter, obwohl ich natürlich auch viel wacher sein muss, denn sonst gibt's keine scharfen Bilder ... zudem - eine weitere Überraschung - führt der "fehlende" AF-Motor dazu, dass mich die Leute kaunm als störend empfinden, obwohl ich sie sehr direkt mit einem doch recht grossen Tele fotografiere. Im Gegenteil - die Ausrüstung stösst oft auf Interesse, und teils ergeben sich Gespräche - soweit das mein sehr begrenztes Italienisch zulässt.
Kurz und gut - eine überraschend positive Erfahrung mit deutlich mehr vorzeigbaren Bildern als sonst ... und wenn ich jetzt gerade einen Auftrag in diese Richtung Fotografie bekäme, würde ich das Olympia-Sonnar mitnehmen - und nicht das MinAF 2.8/200 APO oder gar das 2.8/70-200 G. Ich hätte nicht gedacht, dass nach 23 Jahren AF jetzt bei mir plötzlich erneut die richtige MF-Fotografie Einzug hält ... und das an der A900!
Interssant auch die andern Sonnare, die ich diesem Zusammenhang ausprobierte - das 1.5/50mm (1932), das 2/50mm (1931) und das 3.5/135mm (aus den 1950er Jahren). Doch davon später mal mehr ...
Gr Steve