Der Thread zum Thema neue Kamerabelederungen (insbes. XD) hat mich veranlaßt, ein paar neue (?) Überlegungen niederzuschreiben:
Ich hatte kürzlich eine interessante Diskussion mit mehreren (u.a. Industrie-) Archäologen und Denkmalschützern. Diskussionsgegenstand war die im ersten Moment ketzerisch anmutende These, daß viele Eigentümer denkmalgeschützter Häuser diese unbewußt zerstören, da deren historischer Charakter "kaputtsaniert" wird.
Ebenso verhält es sich mit KFZ-Oldtimern: Hier wird bei Restaurationen im Regelfall der Auslieferungszustand angepeilt, wobei dieser durch andere Lackarten oder Oberflächenbehandlungen beispielsweise gar nicht erreicht werden kann. Oft werden solche Fahrzeuge dann "besser als neu" saniert, was einfach einer Geschichtsverzerrung gleichkommt.
Genauso verhält es sich beispielsweise bei Polstermöbelrestaurationen, wenn nicht Originalstoffe und -Polstermaterialien (die im Regelfalle längst nicht mehr verfügbar sind) verwendet werden.
Natürlich hat ein nach modernen Maßstäben "restauriertes" Stück (korrekter wäre: saniertes) wieder einen Gebrauchswert - aber keinen historischen mehr!
Einige Museen gehen so weit, daß sie den historischen Wert über die Gebrauchsfähigkeit stellen. In der Praxis sieht das so aus, daß ein Oldtimer seine "Patina" behält, Roststellen oder abplatzender Lack werden mit Wachs konserviert, so daß der momentane Zustand auf absehbare Zeit gewahrt bleibt. Defekte Anbauteile (wie Leuchten) werden nicht durch Neuteile oder gar ähnliche Neuteile ersetzt. Eine Fahrfähigkeit ist für museale Zwecke nicht notwendig, denn das Exponat soll na lediglich als Referenz dienen, wie der "richtige" Zustand (idealerweise der damalige Auslieferungszustand) war.
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So weit möchte ich gar nicht gehen, denn eigentlich möchte ich auch mit den alten Kameras auch gerne fotografieren. Bei Reparaturen kann ich mich immerhin damit trösten, daß beispielsweise für Kameras der XD-serie und früher sowieso nur gebrauchte Ersatzteile zur Verfügung stehen. Neue Teile werden ja nicht gefertigt. Also handelt es sich sogar strenggenommen um zeitgenössischen Ersatz, der dem historischen Werterhalt nicht im Wege steht.
Aber diese Diskussion hat mich nachdenklich werden lassen, was eine über die gründliche Reinigung hinausgehende kosmetische Überarbeitung von technisch-historischem Kulturgut (und als solche betrachte ich inzwischen die Manualfokus-Kameras) angeht. Denn jede Gebrauchsspur, Beschädigung oder gar vor langer Zeit aus irgendwelchen Gründen vorgenommene Modifikation* ist ein Teil dieses Kulturguts.
Das ist der Grund, weshalb ich die schon parat gelegten fünf Kameras, für die ich neue Kleidchen schneidern wollte, wieder sorgsam zurück gepackt habe.
Jede dieser Kameras darf ihre Spuren tragen. Auch die XD dürfen ihre Mini-Kleidchen behalten! Genauso wie ich (inwischen) nie auf den Gedanken kommen würde, eine "Goldrand-Edition"-XM mit neuem Lack zu versehen!
Bei den XD und XG mit geschrumpfter Belederung gehört eben diese Alterserscheinung aus musealer Sicht zwingend zur Kamera. Ein Ersatz der geschrumpften Belederung durch ein (zwangsläufig) optisch und strukturell anderes Teil mag nett aussehen, zerstört also den historischen Wert der Kamera.
Aus kulturhistorischer Sicht kann man vor diesem Schritt also nur warnen...
(Natürlich schreibe ich hier Niemandem etwas vor, sondern möchte nur denjenigen, die sich mit immerhin knapp 30 Jahre alten Technik-Kleinoden beschäftigen einen Denkanstoß geben. Und es soll Niemand nachher sagen könne, er wäre nicht gewart gewesen... )
* Ich denke da insbesondere an ein eigentlich sehr unschön auf das Zeitenrad eines AE-Suchers der XM aufgelötetes Messingstück, was dem wohl weitsichtigen Vorbesitzer vermutlich sehr geholfen hat, durch Tasten die Stellung des Zeitenrades zu erkennen. Nach "normalen" Maßstäben müßte das Ding sofort runter - aber es erzäht eine Geschichte genau dieser Kamera. Und deswegen beibt es drauf!