Zitat von Dat Ei
Wie man an dem problemfreien Zusammenspiel alter Minolta-Objektive mit neuen Kameras sieht, ist Minolta zu sich selbst nachwievor kompatibel. Wenn Drittanbieter für Objektive nicht gewillt sind, Lizenzgebühren für die Protokolle zu bezahlen, und stattdessen ein Reverse-Engineering betreiben, darf man sich nicht beim Kamerahersteller beklagen, sondern muß den Drittherstellern mal an die Nase fassen. Hätten sie die Originalprotokolle lizensiert oder aber eine 1:1-Umsetzung vorgenommen, würden ihre Objektive auch heute noch auf ein Chip-Update verzichten können. Nicht Sigma gibt den Standard für MAF vor, sondern umgekehrt.
Sehe ich etwas anders. Die Masse der real existierenden Gerätschaften gibt das
Maß vor, an dem sich alle messen lassen müssen - das gilt für Sigma in dem
Moment, wo Minolta neue Kameras 'rausbringt, und für Minolta, bevor sie
ein neues Gehäuse auf den Markt bringen wollen, daß es mit dem bisherigen
Zubehör (egal von wem) zurechtkommt. In einigen wenigen Fällen mag es
trifftige Gründe geben, die einen technischen Bruch rechtfertigen, aber neue
Kameras kompatibel mit alten Sigma-Objektiven zu machen, wäre für
Minolta trivial. Das ist mit wenigen Stunden Debug-Arbeit erledigt.
Ich bestreite ja gar nicht, wer die ursächliche Schuld an der Misere hat - und
Sigma sollte natürlich sauberere Arbeit leisten oder eben die ROMs lizenzieren.
Aber darauf kommt es IMHO aus Anwendersicht nicht an. Den interessiert nur,
daß es funktioniert. Und da ist der gefordert, der neue Sachen rausbringt, nämlich
so, daß sie mit altem Systemzubehör (auch Fremdzubehör! zusammenarbeiten.
Wie gesagt, aus meiner Erfahrung als einem der Entwickler von DR-DOS weiß ich,
daß es nicht darauf ankommt, wer letztlich den Fehler gemacht hat, sondern
darauf, daß der Fehler für den Anwender nicht sichtbar wird, solange man das
"under the hood" fixen kann - das kann der Hersteller eines Betriebssystems
leisten, indem Sonderbehandlungen eingebaut werden, die Fehler in Anwendungen
so abfangen, daß diese dennoch laufen. In DR-DOS gibt es hunderte solche
Ausnahmebehandlungen, die Fehler in System-BIOSen kaschieren, aber auch
Fehler in bekannten Standardanwendungen anhand bestimmter Zugriffsmuster
erkennen und stillschweigend korrigieren, ohne daß der Anwender davon etwas
mitbekommt. Denn wenn er es mitbekommen würde, wäre im Zweifel immer
das Betriebssystem schuld - ist halt Anwender-Denke. Es gab auch Anwendungen,
die sich nur deshalb abenteuerlich verhalten haben, weil sie selbst Fehler in
MS-DOS umschiffen wollten - und damit prompt unter DR-DOS auf die Nase
fielen, da diese Fehler dort gar nicht vorhanden sind. Also mußten teilweise
auch echte Fehler in MS-DOS in DR-DOS emuliert werden, um diese An-
wendungen ans Laufen zu bekommen. Das ist eine ziemliche Herausforderung,
weil man nicht mehr schön sauber anhand einer klaren Spec arbeiten kann,
sondern ständig defensiven Code schreiben muß. Aber es hat auch unheimlich
viel Spaß gemacht. Natürlich gibt es ähnliche Fixe auch in MS-DOS, PC DOS,
Windows und OS/2, ebenso, wie es in vielen Anwendungen Sonderbehandlungen
für Bugs in den Betriebssystemen gibt. Das gehört einfach zum Geschäft dazu,
die Welt ist nicht perfekt, wir können immer nur anstreben, sie so aussehen
zu lassen.
Und bei Kameras bin ich selbst in der Position des Anwenders, nicht in der des
Entwicklers. Deshalb sehe ich es auch als Unterlassungssünde auf seiten
Minoltas an, daß die ihre neueren Gehäuse nicht kompatibel mit allen zum
jeweiligen Zeitpunkt verfügbaren Sigma-Objektiven gemacht haben. Bei
Minolta wissen die ganz genau, warum die alten Sigmas nicht mit neuen
Minolta-Gehäusen arbeiten, also hätten sie auch ein Workaround dafür
einbauen können. Ich erwarte ja nicht, daß Minolta Mannjahre darin investiert,
aber ein paar Stunden Debugging als Investitionsschutz für die immerhin
viel zahlenden Kunden ist nicht zu viel verlangt, egal wer's Schuld ist.
Das macht aus meiner Sicht einen Systemhersteller aus.
Viele Grüße,
Matthias