ZITAt (thomasD @ 2007-12-16, 1:51) 3) Ein Effekt, der hier noch nicht diskutiert wurde: Durch das viele Süßschmelzwasser gerät der Theorie nach der Golfstrom und damit die Wärmeumwälzung ins Stocken. Auch hier hat die Realität die Theoroie eingeholt: Der Golfstrom hat bereits nachgelassen, das belegen Messungen.[/quote]
Danke, daß Du das ansprichst. Der Golfstrom ist u.a. für das heutige milde europäische Klima maßgeblich verantwortlich. Ein Versiegen des Stroms hätte wohl ähnlich starke Auswirkungen zur Folge wie der Temperaturanstieg, der den Übergang vom Pleistozän zum Holozän vor 15.000 - 8.000 Jahren markiert (während dem auch der heutige Golfstrom entstand). Parallel zu diesem Erwärmungsprozess (um mehr als 15°C) ging auch erst der massive Populationsanstieg der Menschheit bis zur ersten (aneignenden) Tragekapazität der Erde einher - vorher waren die Lebensbedingungen zu schlecht für eine weite Verbreitung des Menschen. Der hohe Selektionsdruck durch Erreichen der Tragekapazität und das gemäßigte Klima bewirkten/erlaubten dann die Überwindung dieser Systemgrenze durch die Einführung von Ackerbau und Viehzucht.
Was können wir daraus für Schlüsse ziehen?
1. Ohne den Golfstrom wären die Voraussetzungen für die stärkere Verbreitung des Menschen nicht gegeben gewesen. Das heißt jetzt nicht unbedingt, daß nach Versiegen des Golfstroms wieder - wie damals - nur 5 Millionen Menschen Platz auf diesem Planeten hätten, da wir inzwischen ja technische Hilfsmittel haben, die es damals nicht mal ansatzweise gab. Allerdings benötigen wir zur Aufrechterhaltung dieses systemtheoretisch hohen Ordnungszustand auch sehr viel mehr Energie, die irgendwann knapp wird, entweder weil die Ressourcen aufgebraucht sind oder weil unsere Zivilisation durch äußere Einflüsse aus dem (labilen) Fließgleichgewicht gebracht wird (Stichwort Klimakatastrophe).
2. Das Versiegen des Golfstroms könnte massive Temperaturschwankungen zur Folge haben, ebenso rapide Änderungen des Meerwasserspiegels. In den ganz unten aufgeführten Artikeln ist z.B. von 1 Meter Anstieg (durch Nachlassen der Sogwirkung) binnen Zehnjahreszeiträumen die Rede, von Wüstenbildungen in Südeuropa und extremen Niederschlägen in Nordeuropa. (Nachtrag: Dieser Wikipedia-Artikel über das Holozän gibt einen guten Abriß über das Aufsteigen und Versinken ganzer Landstriche durch Klimaschwankungen - da ist nicht von Metern die Rede, sondern von mehr als hundert Metern.) Malt Euch einfach mal aus, was das konkret für das Bild Europas bedeuten würde - auf die heute dichte Besiedlung nimmt die Natur dabei keine Rücksicht.
3. Der durch das Erreichen einer (klima- und überlebenstechnologieabhängigen) Tragekapazität entstehende Selektionsdruck hat in der Vergangenheit erst die weitere kulturelle Evolution des Menschen in Richtung höherer Anpassungs- und Lernfähigkeit bewirkt. Aber diese Umorganisationsprozesse konnten über vergleichsweise lange Zeiträume hinweg stattfinden. Es ist eher unwahrscheinlich, daß wir bereits in 50 - 150 Jahren im Zuge unserer weiteren kulturellen Evolution eine so grundlegend neue Überlebensstrategie finden werden, daß wir damit die drohende Systemgrenze bei 12 Milliarden Menschen überwinden können und gleichzeitig auch noch mit den sich schnell ändernden Umweltbedingungen klarkommen würden. Biologisch können wir uns als hochkomplexer Organismus sowieso nur über Zeiträume vieler Jahrzehntausende an sich ändernde Lebensräume anpassen. Man könnte auch sagen: Der Mensch hatte in der Vergangenheit einfach ein paar Mal "Glück" - viele andere Lebewesen sind daran gescheitert.
Mit, wie gesagt, derzeit 6 Milliarden Menschen ist der Weg zurück meiner Ansicht nach sowieso versperrt, da wir unsere kulturellen Errungenschaften sogar aufrechterhalten müssen, um diese Masse Menschen überhaupt ernähren zu können (und selbst wenn wir die Bevölkerungsexplosion als solche eindämmen könnten, die Population würde global wohl kaum sinken, schon gar nicht um 5 Milliarden - außer eben durch globale Katastrophen schlimmster Ausmaße). Mal ganz abgesehen davon, daß Rückschritt auch nicht in der Natur des Menschen als Neugierwesen angelegt ist. Es wäre wohl auch gar nicht möglich, wieder zurück zu den Anfängen zu gehen; die Jäger und Sammler der heutigen Zeit steckt man ins Gefängnis (oder ins Minolta-Forum ;->. Es bleibt demnach eigentlich nur der Versuch einer Flucht nach vorne, indem wir unsere hochentwickelte Intelligenz (also das Kennzeichen, welches uns von unserem rein biologischen Bauplan als - eben immer noch - Jäger und Sammler abhebt) nutzen, um dafür zu sorgen, daß unser Lebensraum, auf den wir fundamental angewiesen sind, in einem stabilen Gleichgewicht bleibt, statt daß wir ihn selbst zerstören und uns damit letztlich die eigene Lebensgrundlage entziehen (oder zumindest einem Großteil unserer Population). Als möglichen Ausweg sehe ich - neben Energiesparen und der Umstellung auf klimaunschädliche Energieformen - eine zukünftige Informationsgesellschaft, mit deren Hilfe ein Großteil des Personen- und auch ein Teil des Güterverkehrs überflüssig würde. Gleichzeitig müßten natürlich auch die Computer deutlich effizienter werden (energiesparender statt schneller), sonst käme keine Ersparnis dabei raus.
http://www.faz.net/s/Rub2542FB5D98194DA3A1...n~Scontent.html
http://www.netzeitung.de/wissenschaft/684750.html
http://www.wissenschaft.de/wissenschaft/news/225487
http://www.dergolfstrom.de/ausfall.htm
Viele Grüße,
Matthias