ZITAt (matthiaspaul @ 4. 3. 2007, 20.06 h) Wißt ihr eigentlich, was für unglaublich viel Arbeit hinter den Kulissen anfällt?!? Wißt ihr, wie sehr mir ein Datenverlust (der auch einen Großteil meiner hier geleisteten Arbeit der letzten Wochen betrifft) zu schaffen macht?[/quote]
Schon gut. Tut mir leid; es sollte kein Vorwurf gegen dich oder die anderen Moderatoren sein. Mir ist klar, daß dein Grund zum Ärgern noch viel größer ist als meiner (oder der eines jeden anderen Teilnehmers).
ZITAt (Ellersiek @ 14. 2. 2007, 10.39 h) Hat die Wahl der Blende Einfluss auf den Grad der Vignettierung?[/quote]
Klare Frage, klare Antwort: Hängt davon ab.
Und zwar hängt's von der Ursache der Vignettierung ab. Manche Arten der Vignettierung lassen sich durch Abblenden reduzieren, manche lassen sich ganz beseitigen, und manche lassen sich nicht oder fast nicht beeinflussen.
ZITAt (Ellersiek @ 14. 2. 2007, 10.39 h) Auf Wikipedia wird zwischen optischer und mechanischer Vignettierung unterschieden. Die mechanische, also die, die durch Filtereinsatz verursacht wird, soll durch Abblenden beeinflusst werden können. Stimmt das?[/quote]
Auf Wikipedia steht oft viel Unsinn.
Die Begriffe "optische" und "mechanische Vignettierung" kommen in der Fachliteratur überhaupt nicht vor. Stattdessen wird primär zwischen natürlicher und künstlicher Vignettierung unterschieden. Die künstliche kann man wiederum in interne und externe einteilen. Interne wird vom Objektiv selber verursacht, externe von unpassenden Vorsätzen wie zu eng bemessenen Filtern, Filterhaltern, Gegenlichtblenden, Vorsatzkonvertern usw.
Externe künstliche Vignettierung, manchmal auch als mechanische Vignettierung bezeichnet, ist in der Regel kein Problem ... jedenfalls nicht aus Sicht des Objektives bzw. dessen Konstrukteurs. Entferne einfach den zu engen Vorsatz oder ersetze ihn durch einen passenden, Problem erledigt. Durch Abblendung läßt sich diese Form der Vignettierung nicht nennenswert beeinflussen ... oder allenfalls in dem (in der Praxis seltenen) Spezialfall, daß die Obstruktion so gerade in den Strahlengang der offenen Blende, nicht aber in den geringfügig engeren einer kleineren Blende hineinragt. In der Regel ist es so, daß diese Form der Vignettierung bei großen Blenden früher, also näher zur Bildmitte, einsetzt und dafür einen sanften Verlauf hat, und bei kleinen Blenden später einsetzt, dafür einen steileren Verlauf hat.
Künstliche Vignettierung -- also die interne Variante (welche fast immer gemeint ist, wenn von künstlicher Vignettierung die Rede ist) -- wird durch den begrenzten Durchmesser der Objektivfassung verursacht, und manchmal auch durch den zu kleinen Durchmesser der Objektivanschlußöffnung. Sie ließe sich theoretisch durch hinreichend große Linsendurchmesser vermeiden, speziell im Bereich der Front- und der Hinterlinse (die inneren Linsen sind gewöhnlich nicht das Problem). Doch das würde die Abmessungen, die Größe und das Gewicht und vor allem den Preis des Objektives ganz erheblich in die Höhe treiben -- bei Weitwinkelobjektiven und bei hochlichtstarken Objektiven gut und gerne um einen Faktor zwei oder drei. Kaum ein Mensch wäre bereit, so große, schwere und teure Objektive zu kaufen, nur um ein wenig Vignettierung bei voller Öffnung zu vermeiden. Erstens stört die Vignettierung in der Praxis sooo sehr nun auch wieder nicht, und zweitens läßt sie sich nahezu vollständig durch Abblendung um ein oder zwei Stufen aus der Welt schaffen. Im übrigen sind die Frontlinsen vieler Weitwinkelobjektive in Relation zu Brennweite und Öffnungsverhältnis ungewöhnlich groß ... eben um die künstliche Vignettierung im Rahmen zu halten. Doch um sie vollständig zu eliminieren, müßten die Frontlinsen noch größer sein.
Auch bei katadioptrischen Teleobjektiven, also Spiegel-Linsen-Objektiven, ist künstliche Vignettierung ein Thema. Vorgaben bezüglich Größe, Gewicht und Preis diktieren den Hauptspiegeldurchmesser (und damit den Durchmesser des gesamten Objektives). Bei gegebenem Hauptspiegeldurchmesser kann sich der Konstrukteur nun für einen größeren oder kleineren Sekundärspiegel entscheiden. Ein kleinerer ergibt eine größere Eintrittspupille und somit ein helleres Bild -- doch leider kommt der Löwenanteil des gewonnenen Lichtes wegen des kleinen Spiegeldurchmessers nur der Bildmitte zugute. Das Bild wird also insgesamt heller, aber auch ungleichmäßiger. Ein größerer Sekundärspiegel hingegen bewirkt ein gleichmäßiger ausgeleuchtetes, dafür insgesamt dunkleres Bild. Also ist auch hier, wie fast überall im Objektivbau, ein gelungener Kompromiß zwischen einander widerstreitender Anforderungen erforderlich.
Natürliche Vignettierung beruht auf den Gesetzen der Geometrie und der Physik. Sie folgt im Normalfall dem sogenannten Cosinus-hoch-vier-Gesetz und läßt sich durch Abblenden nicht im geringsten reduzieren. Immerhin können durch geschickte konstrktive Maßnahmen einige dieser "Cosinüsse" entschärft werden. Zu diesen Maßnahmen gehören die Retrofokus- und die telezentrische Konstruktion. So hat ein Retrofokus-Weitwinkel eine geringere natürliche Vignettierung als ein konventionell aufgebautes Weitwinkel gleichen Bildwinkels. Weil Abblenden gegen die natürliche Vignettierung nichts ausrichtet, muß man ggf. Centerfilter einsetzen. Sie reduzieren die Helligkeit der Bildmitte auf das Niveau der Bildecken und gewährleisten so die Gleichmäßigkeit der Ausleuchtung, auf Kosten der Gesamthelligkeit. Leider sind optisch hochwertige Centerfilter mit perfekt gleichmäßigem Helligkeitsverlauf schwierig herzustellen und daher sehr teuer, und sie müssen exakt auf den Verlauf der zu korrigierenden Vignettierung abgestimmt sein. In der Regel braucht daher jedes Objektiv sein eigenes Centerfilter.
Mit den vier Cosinüssen hat es folgende Bewandnis. Es gibt drei Effekte, die die natürliche Vignettierung verursachen. Diese sind erstens die scheinbare Verkleinerung der effektiven Eintrittspupille bei schrägem Lichteinfall, zweitens derselbe Effekt für die Austrittspupille, und drittens die für die Randstrahlen größere Distanz zwischen Austrittspupille und Bildebene. Bei jedem hängt der Grad der Vignettierung vom Cosinus des Winkels zwischen dem betrachteten Lichtstrahl und der optischen Achse ab. Einer der Effekte zählt doppelt (der dritte, weil die Lichtintensität mit dem Quadrat der Entfernung abnimmt), deshalb insgesamt vier Cosinüsse. Und die vier Cosinüsse multiplizieren sich, deshalb "hoch vier".
Strenggenommen ist es eigentlich kein "Cosinus-hoch-vier-Gesetz", sondern eher ein "Cosinus-mal-Cosinus-hoch-drei-Gesetz". Denn einer der Cosinüsse bezieht sich auf den gegenstandsseitigen Bildwinkel, die übrigen drei auf den bildseitigen. Bei konventionell aufgebauten Objektiven sind gegenstandsseitiger und bildseitiger Bildwinkel gleich, deshalb Cosinus hoch vier. Aber bei Retrofokus- und auch bei bildseitig telezentrischen Objektiven ist der bildseitige Bildwinkel kleiner als der gegenstandsseitige, was den Vignettierungseffekt von drei der vier Cosinüsse drastisch reduziert. Bei vielen Objektiven läßt sich außerdem beobachten, wie beim Blick auf die Blendenöffnung diese sich scheinbar umso mehr dem Betrachter zuneigt und vergrößert, je schräger man durch die Frontlinse schaut. Dieser durch die Retrofokus-Linsengruppe verursachte Effekt gleicht den ersten Cosinus aus und reduziert somit die natürliche Vignettierung noch einmal.
Für Digitalkameras mit Sensoren nach heutiger Technologie ist es, anders als bei Film, nicht egal, unter welchem Winkel das Licht auf die Photoelemente trifft. Der Lichtstrahl wird effektiv umso dunkler, je schräger er auftrifft -- und zwar wiederum proportional zum Cosinus des Einfallswinkels, in erster Näherung. Das heißt, Digitalkameras haben sozusagen einen Cosinus mehr, der ihnen eine natürliche Vignettierung*) beschert (bei konventionell aufgebauten Objektiven also insgesamt Cosinus hoch fünf). Deshalb kann ein und dasselbe Objektiv an einer Digitalkamera stärker vignettieren als an einer analogen Kamera. Und Abblenden hilft dagegen, wie bei natürlicher Vignettierung üblich, leider nicht.
Die im fertigen Bild sichtbare Vignettierung ist stets die Summe aller Vignettierungen. Die natürliche Vignettierung bewirkt eine von der Blendenöffnung unabhängige Grundvignettierung, auf die sich noch die künstliche, von der Blendenöffnung abhängige hinzuaddiert. Bei hochwertigen Wechselobjektiven für Spiegelreflex- und Meßsucherkameras ist die natürliche Vignettierung in der Regel sehr gering und die künstliche stark variabel, je nach Bildwinkel und Blendenöffnung.
-- Olaf
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*) Man könnte sich auf den Standpunkt stellen, weil die Sensor-Vignettierung bei schrägem Lichteinfall durch die zu engen und zu tiefen Täler verursacht ist, in denen die einzelnen Photoelelemente sitzen, sei sie als künstlich zu werten. Doch das gilt allenfalls für die mikoskopische Betrachtung des einzelnen Photoelementes. Bei "ganzheitlicher", makroskopischer Betrachtung des ganzen Sensors als ein großer Bildwandler jedoch nimmt diese Vignettierung den Charakter einer natürlichen an.