Was ist ein gutes Bild?
Die Frage aus dem geschlossenen Thread ist ja nicht uninteressant.
Sicher, wir behandlen das nicht das erste Mal und sicher auch nicht das Letzte Mal.
Dennoch kann eine Diskussion darüber immer eine Bereicherung sein, wie ich finde.
Ja, was ist nun ein gutes Bild?
Das lässt sich letztlich nicht an Formalien festmachen.
Entscheidend für die Qualität ist die Aussage, die ein Bild hat. Die Verbindung von Form und Inhalt. Das macht die Qualität eines kreativen Werkes aus. Ob das nun ein Bild ist oder welche Art der "Erschaffung" auch immer.
Eine Sinfonie wird nicht besser weil ihr ein Satz fehlt. Es gibt reichlich Sinfonien, die zum Grössten der Musikgeschichte gehören obwohl sie nicht unvollendet sind.
Entscheidend ist die "magische" Verknüpfung von Form und Inhalt. Das gelingt mal besser mal schlechter. Es gibt kein Rezept für "das Richtige", "das Große", "das Gute". Um bei Schubert zu bleiben. Schubert hat weit über tausend Lieder geschrieben. Dabei sind unglaubliche Juwelen. Winterreise, Erlkönig, Aufenthalt, Tod und das Mädchen und noch einiges mehr. Da ist aber auch grottenschlechter Stoff dabei.
Er konnte nicht mal wirklich Klavierspielen, aber hat mit die größte Klavierliteratur der Geschichte hinterlassen. Wie kann das sein?
Er hatte, analog zur Fotografie, nur rudimentäre Kentnisse von Zeit/Blendenverhältnissen und konnte den Apparat nicht mal richtig bedienen. Haut aber "Bilder" raus, die bis heute unerreicht sind. Er hatte die Begabung den feinen Grad zwischen Form und Inhalt einfangen zu können. Nicht immer, aber auch vielleicht dank Syphillis immer ein bischen öfter. Oder Mozart mit seinem Fritzelfieber. Das Requiem wäre vielleicht ohne den Wahn nicht denkbar gewesen. Technik ist dabei nur eine Randerscheinung. Nötig, aber letzlich nicht allein entscheidend. Das Zusammenspiel so vieler Faktoren ist entschiedend.
Oder Cartier Bresson. Sensationell. Toll. Bei dem Namen geht ein Raunen durch die Reihen. Seine legendäre Indochina Reise. Er hat dort mehr als 150.000 Fotos gemacht! Wenn dann ein Buch erscheint finden sich in 50 Fotos 30 Meisterwerke. Die restlichen 149.550 sehen wir nicht. Es ist sicher keine Spekulation, dass von diesen 149.550 eine Reihe in unserer Galerie nicht einmal einen einzigen Kommentar bekämen. Und das sogar zu Recht. Nichts und niemand ist immer gut, besser, oder geschweige denn perfekt. Es ist immer dieser Moment indem es "passt". In dem die Verbindung zwischen dem Selbst und der Welt funktioniert. Im nächsten Moment kann sie wieder abgerissen sein und da nützt kein Blitzlicht, keine noch so gute Kamera oder was auch immer. Wenn diese flüchtige Verbindung nicht exisitiert bleibt das Bild "nicht schlecht", "ganz gut", "beeindruckend" oder was auch immer. Aber es fehlt ihm "das Gewisse". Das was es anders macht als den Rest.
In dem Moment wo wir das perfekte Bild gefunden hätten, stirbt die Fotografie. In dem Moment wo die perfekte Sonate geschrieben wäre, endet die Musik. usw.
Das gute Bild ist wie das Glück. Ein flüchtiges, magisches Moment, das einen immer wieder verlässt um aber dennoch zurückzukommen.
Und genau darum sind wir ja auch immer auf der Suche danach.
Fotografie ist wie Dichtung.
Und Dichten heisst sich verdichten.
Den Augenblick zu verdichten.
Zeit, Raum, alle Sinne in einem zweidimensionalen Raum zu fangen.
Dann gibt es die Chance auf ein "gutes Bild".
Jedoch für uns alle ohne Gewähr.