Über die tatsächlich auftretenden Probleme diverser DSLRs kann man sich in vielen Anwender-Foren informieren. Auch der Vorwurf, daß die Kameras unausgereift sind, ist nicht unberechtigt. Daß analoge Optiken nicht immer problemlos und ohne Qualitätseinbußen an DLSR's verwendet werden können, dürfte wohl inzwischen jeder mitbekommen haben. Daß der digitale Workflow wesentlich billiger ist, trifft vor allem auf den professionellen Sektor zu, "Privat-Anwender" mit 30 oder 40 Filmen im Jahr haben digital natürlich erheblich höhere Kosten.
So gesehen sieht es eigentlich recht schlecht für DSLRs aus. Aber DSLRs haben auch Vorteile. Bei sämtlichen Vorrednern, die sich hier von DSLRs distanziert haben, habe ich den Eindruck, daß Sie aus theoretischen Erwägungen heraus argumentieren. Die Vorteile erwachsen aber aus dem tatsächlichen Gebrauch der Kameras. Man hat nie wieder ein Film-Problem (kein Film oder falscher Film dabei), man ist wesentlich weniger beschränkt durch die Angst, Film zu vergeuden, kann also viel mehr probieren, experimentieren. Man hat das Ergebnis sofort sichtbar, muß also nicht bei schwierigen Situationen erst warten, bis der Film entwickelt ist und man sehen kann, wie man diese Situation am besten handhabt, sondern kann gleich vor Ort optimieren, und das sofort auf andere Bilder übertragen (zB Blitzfotografie, Hi/Low-Key). Man kann sich den verschiedensten Beleuchtungssituationen direkt anpassen. Das alles sind doch sehr gewichtige Vorteile im Handling mit der Kamera.
Weiter geht's mit der Entwicklung und der nachfolgenden Verarbeitung. Ein qualitativ hochwertiger Abzug ist heute eigentlich kaum noch zu bezahlen. Bei Großlabor-Abzügen ist man einem digitalisierten und standardisierten Prozess unterworfen, der einen die diversen "Problemchen" von DSLRs getrost vergessen läßt. Digital kann ich mit ein wenig Grundwissen, einem guten Programm und einem der vielen Online-Labore Abzüge in einer Qualiät erreichen, die analog so für den Hobbyisten nicht möglich ist. Farbstichen können nicht nur weitestgehendst über Konversionsfilter entfernt werden (wer macht das überhaupt?), sondern absolut exakt. Man kann den Dynamik-Bereich optimal auf den Abzug anpassen, also Lichter oder Schatten ohne Zeichnung vermeiden, generelle Belichtungsfehler ausgleichen. Man kann aus Farbbildern nachträglich Schwarz-Weiß-Bilder machen, und zwar mit wesentlich mehr Möglichkeiten, als es die Filmfotografie bieten kann. Darüberhinaus kann man auch Dunkelkammertechniken anwenden, die analog ins Vollprofi-Lager gehören, wie partielle Belichtungs-, Farb- oder "Gradations"-Anpassungen. Wohlgemerkt, es geht hier nicht um Spielereien und Verfälschungen, sondern um die gleichen Techniken, die in der Film-Fotografie auch angewendet werden.
Es mag sein, daß für Schärfe- oder Auflösungstechnisch höchst anspruchsvolle Aufgaben die derzeitigen DLSR's im unteren Preisegment gleichwertigen Film-Kameras unterlegen sind. Aber ob das so eklatant ist, um die ganzen Nachteile des Films wieder wettzumachen, muß jeder für sich entscheiden. Nur kann man das nicht an Hand von Forums-Geschwätz festmachen, wo schlechte Erfahrungen im Promille-Bereich schnell so aussehen, als wären Sie die Regel. Wenigen lautstarken schlechten Erfahrungen steht die Masse der stummen problemunbehafteten Anwender gegenüber, entweder, weil die Probleme nicht vorhanden sind, oder weil sie unter der Wahrnehmungschwelle der jewiligen Person sind, was ja auf das gleiche rauskommt.
In diesem Sinne: Nicht ein System einfach auf Grund von theoretischen Erwägungen und den nicht verifizierbaren Bewertungen Dritter ablehnen, sondern ruhig mal einen oder zwei Tage damit in der Praxis verbringen, und dann abwägen.