Du willst eine allgemeine Aussage darüber, was die Kunden/Betrachter haben wollen, um ihnen dann genau das zu bieten?
Mit der Philosophie kannst du nichtmal eine Pommesbude eröffnen.
Das spannendste an der Fotografie ist doch, dass du den Leuten deinen ganz subjektiven und deshalb einmaligen Blick auf die Welt anbieten kannst.
Beschäftige dich mal mit vielen großen Klassikern der Fotografie. Zwar wirst du ein paar Gemeinsamkeiten entdecken, aber vor allem wirst du schnell den individuellen Stil wiedererkennen und kannst dann auch dir unbekannte Fotos schnell dem jeweiligen Fotografen zuordnen. Genau darum geht es: Entwickle DEINEN Stil.
Man kann sich natürlich sehr viele allgemeine Aussagen zur Motivauswahl, zur Bildgestaltung und zu technischen Details anlesen, Andreas Feiningers "Große Fotolehre" bietet dazu zB erschöpfend viel. Aber es gibt so viele gute Fotografen, die diese Regeln ständig brechen, bewusst oder auch nicht.
Das Wissen, wie man technisch eine ordentliche Aufnahme macht, ist eben nur eine von mehreren Grundlagen, damit allein kommt man nicht weit. Grade in techniklastigen Foren findest du Leute, die viel und gerne über solche Dinge reden, so dass du erstmal mächtig Respekt kriegst, und wenn du dann zB ihre Flickr-Seite entdeckst, findest du 7000 völlig irrelevante Schrottbilder. Technisch meist ok, inhaltlich so spannend, wie lauwarmes Wasser.
Genau das mag ich an der Fotografie: Es ist Technik und Emotion, Objektivität und Subjektivität. Der oben verlinkte Text sagt zur Fragestellung übrigens eigentlich fast nichts aus, weil darin der Begriff Emotion nahezu nicht vorkommt. Typisches Beispiel einer Fehlentwicklung in der heutigen universitären Psychologie. Wollte man das Thema wirklich psychologisch angehen, würde ich bei L.S. Vygotskijs (Wygotski) "Psychologie der Kunst" ( http://www.amazon.de/gp/offer-listing/B001...;condition=used ) anfangen und dann die Begriffe "Emotion", "persönlicher Sinn" und "Abbild" in der Tätigkeitstheorie A.N. Leont'evs (Leontjew) erarbeiten. Auch die neuropsychologische Seite der Wahrnehmung müsste man ganz anders angehen, als in dieser mechanistischen Litanei. Allg. Theorie des Funktionellen Systems n. Lurija/Anochin/Bernsteijn, dann mit den genannten psychologischen Begriffen vermitteln (Lit.überblick: http://www.ich-sciences.de/index.php?id=48&L=0) und noch das Detailwissen zeitgenössischer psychoanalytischer Kliniker einarbeiten. (Überblick bei R. Westphal: "Die Rolle des Unbewußten beim Erschaffen und Rezipieren von Kunst". Und Susan Sontag nicht vergessen... Wenn mir als Rentner mal langweilig wird, schreibe ich das evtl mal zusammen.
Zitat zu Vygotskij aus wikipedia:
ZITATWygotski begann sein wissenschaftliches Wirken im Bereich der Kunstpsychologie. Er verfolgte die Frage, wie es Kunstwerke schaffen, eine bestimmte psychische Reaktion (z. B. eine Emotion) hervorzurufen. Er fand, dass Kunstwerke bestimmte Motive enthalten, die in der entsprechenden Kultur einen festen Bezug zu einem gewissen Themenfeld haben (z. B. hat in abendländischer Kultur eine Hirtenszene eine starke Konnotation mit Frieden und Beschaulichkeit). Der dieser Kultur angehörige Betrachter (bzw. Zuschauer, Zuhörer etc.) entschlüsselt (meist unbewusst) nicht nur diesen Zusammenhang, sondern die gesamte kulturelle Geschichte dieses Motivs (also z. B. auch Geschichten, in denen ein Wolf in der Hirtenszene auftaucht, Hirten-Motive aus der Bibel etc.).[/quote] (Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Lew_Semjonowitsch_Wygotski am 7.12.2011)
Ergo: Ich gucke grad aus dem Fenster auf den Wochenmarkt. Was wäre an dem Motiv auf jeden Fall schon mal dran? ...
Zurück zum wahren Leben:
Eine wichtige allgemeine Regel heißt für mich: Reduktion, allerdings nicht in der extremen Weise, wie bei den verlinkten Postern (wobei die als Extrem aber sehr interessant sind und mich grad zum Nachdenken bringen darüber, warum sie als Fotos alle nicht funktionieren würden - Thx for posting! Ein typischer Anfängerfehler ist es, zuviel auf einmal zu wollen. Es kann lohnend sein, Motive daraufhin zu untersuchen: Was will ich mit dem Bild sagen? Was stützt die Aussage, was stört sie eher, was liefert mir ein evtl irritierendes Detail hinzu und will ich das? ... Dazu kann es hilfreich sein, ein Motiv in der näheren Umgebung immer wieder mal zu fotografieren (und auf ganz unterschiedliche Art) und dann zu vergleichen. Dazu eignet sich am besten irgendetwas mittelgroßes, dass man mal im größeren Kontext und mal als Detail fotografieren kann.
Ich bin übrigens oft beindruckt, solange ich einzelne Fotos eines Fotografen ansehe, aber enttäuscht, wenn ich Serien sehe. Das scheint die höhere Form der Kunst zu sein, Bilder wirklich zusammenzustellen, so dass sie als Einheit (wie aus einem Guss) wirken, sich aber dennoch sinnvoll ergänzen, ohne zuviel Redundanz aufzuweisen. Hierzu kann man von den Klassikern der Reportagefotografie sehr viel lernen, oder aktuell zB aus Bildstrecken in National Geographic etc. Hab mir grad auf dem Flohmarkt eine komplette Jahresausgabe für 1€ geschossen, nur um die Bildstrecken anzusehen.
http://www.nationalgeographic.de/foto/fotoschule
Man kann sich auch selbst Aufgaben stellen: Heute stelle ich Thema X mit nur einem Bild dar. Oder eben mit 3,5,10 etc. Aber vor dem Knipsen festlegen und dann entsprechend auswählen!
Ein Profi unterscheidet sich vom Amateur in erster Linie dadurch, dass er übers Jahr gesehen viel mehr und regelmäßiger fotografiert, aber viel kritischer auswählt, also viel mehr wegwirft. Daran sollte man sich auch als Amateur orientieren. Wenn man denkt: "Das Bild ist ja auch noch ganz gut, das zeig ich auch noch", sollte ein Alarmlämpchen aufleuchten, das einem sagt: "Lass das Bild in der Kiste".
Das mag ich an Flickr: Bis 200 Bildr kostet es nichts, und wenn man meint, dass man mehr braucht, um sich zu präsentieren, macht man irgendetwas falsch. (Und wirklich gute Bilder sollte man im Netz eh nie größer und hochwertiger zeigen, als es der Gratisaccount ermöglicht...)
Es ist übrigens kürzlich ein schöner Bildband erschienen, der die Kontaktbögen vieler Fotografen der Agentur Magnum zeigt. Da sieht man weltbekannte Bilder im Kontext der anderen Bilder auf dem gleichen Film, die eben nicht zur Veröffentlichung ausgewählt wurden. Extremst lehrreich, und vermutlich die letzte Gelegenheit, den Profis in dieser Weise auf die Finger zu gucken, denn von digitalen Bildern sieht man immer nur die besten, die anderen werden irgendwann gelöscht oder zumindest nicht direkt neben den guten aufbewahrt...
mfg, Immo