So, nun sind wir also in Tibet angekommen. Davon hatte ich einige Jahre lang geträumt, und nun wurde es wahr. Ein tolles Gefühl.
Apropos Gefühl: Lhasa liegt auf etwa 3700 Meter über dem Meeresspiegel. Das merkt man als Flachländer sehr deutlich. Das Atmen fällt einem am Anfang schon recht schwer, besonders wenn man kleinere Anstrengungen unternimmt. So waren wir im Hotel in der dritten Etage untergebracht. Die Treppen da hoch haben einen schon ziemlich zum Keuchen gebracht. Überhaupt kein Vergleich zu sonst. Am ersten Abend stellten sich bei uns auch leichte Kopfschmerzen ein. Die gingen aber am nächsten Tag schon wieder weg, die gefürchtete Höhenkrankheit hat uns also weitgehend verschont. Ein weiterer Effekt der Höhe ist, dass man sehr viel Durst hat. Wir sind an den ersten Tagen mit regelrecht schmerzhaft trockenen Kehlen aufgewacht.
Lhasa ist eine völlig andere Welt, verglichen mit Kathmandu. Man sieht überall in der Stadt die typisch chinesische Aufbruchstimmung. Es wird viel gebaut, vor allem hässliche Betonbauten. Historische Häuser werden meist ohne Rücksicht auf Denkmalschutz abgerissen. Nur touristisch interessante Orte bleiben im Original erhalten, so z.B. die Altstadt rund um den Jokhang-Tempel. Neue Straßen werden grundsätzlich sehr großzügig angelegt, am besten gleich sechsspurig. Kein Vergleich mit den engen Gassen in Nepal.
Man sieht aber auch sehr deutlich, dass Lhasa eine zweigeteilte Stadt ist. Die Einkaufsmeilen, Nachtbars und so weiter sind größtenteils in der Hand von Chinesen. Tibeter dürfen bestenfalls dort arbeiten, meist zu Hungerlöhnen. Bettler auf den Straßen sind ausschließlich Tibeter, Chinesen sieht man nirgends betteln. Es ist deutlich, wer hier das sagen hat.
Tief beeindruckend ist die Frömmigkeit der Tibeter und mit welchem Stolz sie den chinesischen Besatzern trotzen. Entgegen aller Bemühungen zu Zeiten Maos konnte die tibetische Kultur und Religiösität nie zurückgedrängt werden. Überall sieht man Menschen mit Gebetsmühlen, Pilger, die ihre Gebete murmeln, Mönche usw. Als wir das erste Mal am Jokhang waren dachten wir, da wäre wohl gerade irgendeine Veranstaltung zu Ende gegangen, so viele Menschen waren da. Dann merkten wir, dass die immer da sind und ihre Runden um den Tempel drehen. Tag und Nacht, immer Gebete murmelnd und Gebetsmühlen drehend.
Und die Farben! Ganz anders als das Grau und Braun in Nepal. Die traditionellen Häuser sind alle in hellem Weiß, die Fenster schwarz. Größere Gebäude sind weiß und rot. Und überall leuchten Gebetsfahnen in allen Farben. Dazu der strahlend blaue Himmel. Einfach großartig.