Hallo an alle Minolta SR Freunde,
aus gegebenem Anlass (Thread 85mm als Portrait Objektiv) habe
ich das Bokeh einiger der klassischen Minolta SR Linsen noch mal
genauer unter die Lupe genommen.
Der Versuchsaufbau bestand aus dem familieneigenen Mobiltelefon
senkrecht auf einem Topfuntersetzer stehend, und das ganze auf der
Vorderkante eines Längsrichtung ausgerichteten historischen
Elektro-Ölradiators aufgestellt. Vom Gehäuse internen Blitz frontal
angeblitzt ergeben sich an den Kanten der einzelnen in der Tiefe
gestaffelten Heizrippen, wie ich meine, gut auswertbare Lichtreflexe
die zur Beurteilung des Bokeh IMHO gut geeignet sind.
Auf die in ca. 3m Abstand aufgebaute, mit dem italienischen
SR Flange modifizierte Canon 40D verirrten sich so folgende
Objektive:
Minolta MC Tele Rokkor PF 1:2.8 135mm
Minolta MD Tele Rokkor 135mm 1:2.8 (der Vierlinser)
Tokina 1:2.8 135mm (sehr kompaktes 135iger)
Vivitar 1:2.8 135mm (mechanisch sehr edel gebautes Objektiv #28x)
Minolta MC Rokkor 1:2.5 100mm
Minolta MD Rokkor 85mm 1:2
Minolta MC Rokkor 1:1.7 85mm
(Für den Zweck hier, also außer Konkurrenz mitgelaufen…
Minolta MC Rokkor 1:1.2 58mm
Minolta MD Rokkor 1:1.4 50mm (MD I mit 55mm Filtergewinde)
Minolta MC Rokkor-PG 1:1.4 50mm
)
Am Tag darauf hab ich dann auch noch die drei klassischen Minolta Telezooms
in den Ring geworfen:
MD 75-200 1:4.5
MC Zoom Rokkor 1:4.5 80-200
MD 70-210 1:4
Aufgenommen habe ich 10 MP RAWs mit meiner Canon 40D im Modus Av und internem Blitz.
Konvertiert hab ich alle 52 RAWs per Batch mit ACR (5400K, 0USM also keinerlei Schärfung
und Belichtung auf Auto) und alle als 8 Bit Jpeg (mit Qualität maximal = 10) abgespeichert.
Gemäß dem Motto:
"Glaube keinem Objektiv-Test den du nicht selbst gefälscht hast!"
Hat es natürlich auch mich wieder einmal erwischt…
Obwohl die Canon einen für den Zweck der manuellen Fokussierung sehr guten
Liveview-Modus mit 10xZoom bietet, gelang es mir nicht immer die Schärfeebene so
exakt wie ich es mir gewünscht hätte zu finden. Die verbliebenen minimalen
Abweichungen sollten bei der Beurteilung unbedingt Berücksichtigung finden,
aber die Alternative, entsprechend diffiziele Fokusreihen bei jeder Blende,
hätten den Aufwand immens ansteigen lassen.
Nun also zu meiner Auswertung, nach bestem Wissen und Gewissen:
135mm, f2.8
Schärfe: Das MD (Vierlinser) wird seinem Ruf voll auf
gerecht und zeigt dem Rest des Feldes die Sporen. Das Vivitar
zeigt in Summe ebenfalls eine sehr gut Leistung bei offener Blende
und muß sich dem MD nur ganz knapp geschlagen geben. Auf Platz
3 läuft das sechslinsige MC und zwar mit doch recht deutlichem
Rückstand hinter dem Vivitar ein. Das Tokina zeichnet bei offener
Blende etwas flauer und auch unschärfer als die Konkurrenz und
liegt deshalb auf dem letzten Platz.
Bokeh: Da schlägt die Stunde des MC, denn es kann sich mit seinem
nicht mal neutralen Bokeh trotzdem klar auf an die Spitze der Testgruppe
setzen, ohne jedoch auch nur annähernd in die Nähe der wahren Bokeh
Könige heranzureichen. Das MD holt sich mit seinem eher schlechten
Bokeh noch knapp vor dem Vivitar den zweiten Platz ab. Das Tokina
wird seinem Ruf, ein Produkt ehemaliger Nikon Entwickler zu sein,
voll gerecht und könnte hier mühelos als Bokeh-negativ-Musterbeispiel
dienen.
135mm, f4
Schärfe: Das MD, das Vivitar und das Tokina liegen nun ziemlich gleich
auf und zeigen allesamt exzellente Schärfe. Nur noch aüßerst knapp
scheint mir das MC hier zurück zu liegen.
Bokeh: Das MC und das MD liegen für mich praktisch gleich auf
Und zeigen nun weitgehend neutrales Bokeh, wobei die Blendenform
des MD etwas stärker unangenehm in Erscheinung tritt. Das Vivitar
liegt etwas zurück aber noch immer vor dem Tokina.
Fazit 135mm:
Nichts neues hier also, der Vierlinser ist in Summe IMHO das
beste 135mm Objektiv für das Minolta SR Bajonett, das MC zeigt
lediglich bei Offenblende einen Vorsprung hinsichtlich des Bokeh
aber schon unter etwas schmerzlichem Verlust an Schärfe.
Das Vivitar ist ein sehr ausgeglichens Objektiv und durchaus empfehlenswert,
aber auch nicht gerade ein Bokeh Champion.
Das Tokina ist klar auf hohe MTF optimiert und ab f4 auch wirklich
sehr scharf, zeigt aber IMHO eklatante Schwächen beim Bokeh.
100mm, f2.5
Der einzige Kandidat im Ring zeigt bereits bei offener Blende sehr gute Schärfe
und neutrales bis gutes Bokeh und schlägt hier hinsichtlich des Bokeh bereits die
gesamte 135iger Konkurrenz.
100mm, f4
Die Schärfe des MC Rokkor 1:2.5 100mm ist nun excellent und
das Bokeh sehr gut, nur noch minimal sind die Blendenlamellen
in den auch nur noch sehr schwach erahnbaren Unschärfescheibchen
zu erkennen. Insgesamt eine excellente Leistung!
Fazit 100mm:
Das MC Rokkor 1:2.5 100mm ist ein Objektiv, das ich ausdrücklich
für Portraits und Bokeh-kritische-Motive empfehlen kann und zwar
mit deutlichem Vorsprung hinsichtlich des Bokeh vor allen hier
getesteten 135igern.
85mm, f1.7, f2
Schärfe: Das MD zeigt bereits bei offener Blende f2 sehr gute
bis excellente Schärfe und liegt damit doch etwas vor dem MC,
das IMHO aber selbst bei der 0,5 Stufen weiter geöffneten
Blende f1.7 immer noch scharf zeichnet. Meine Einschätzung
geht dahin, dass man das Testbild des MC bei Offenblende
mit etwas EBV in der Bildmitte noch immer mühelos auf
Pixelschärfe in 100% Ansicht bringen kann ohne grob sichtbare
Artefakte zu riskieren.
Bokeh: Das MC zeigt bereits bei offener Blende neutrales bis gutes Bokeh,
das MD liegt hier klar zurück und zeigt bei offener Blende nicht einmal
neutrales Bokeh.
85mm, f2.8
Schärfe: Ich kann auf diesen Aufnahmen keinen Vorteil für einen der
Kontrahenten hinsichtlich der Schärfe ausmachen, beide zeichnen in der
Bildmitte schlicht überragend scharf!
Bokeh: Das MC zeigt bei f2.8 Bokeh der absoluten Extraklasse, ja man
könnte es hier IMHO auf eine Ebene mit dem STF stellen. Es sind
jedenfalls keinerlei "Scheiben oder gar Ringe" mehr auszumachen auch von der Form
der Blendenlamellen ist weit und breit gar nichts zu sehen.
Das MD zeigt nun bereits wirklich gutes Bokeh in etwa vergleichbar mit dem
MC 2.5/100mm bei f4.
85mm, f4
Schärfe: Hinsichtlich der Schärfe in der Bildmitte ändert sich nichts mehr
gegenüber f2.8 und das ist sehr erfreulich, beide zeichnen nach wie vor
überragend scharf.
Bokeh: Das MC zeigt bei f4 nach wie vor Bokeh der Extraklasse,
aber bei 85mm Brennweite scheint mir das Freistellpotential gegenüber
f2.8 schon deutlich abzunehmen. Das MD schließt bei f4 hinsichtlich des Bokeh
nahezu zum 1.7/85mm auf und zeigt hier nur mehr ein minimal schwächeres Bokeh.
Fazit 85mm:
Hinsichtlich der Schärfe bei f2.8 und f4 ist gegen die 85iger im Telebereich
Wohl kein Kraut gewachsen. Jedenfalls legen sie die Meßlatte für die
100 und 135mm Klasse des Testvergleichs auf ein neues Niveau.
Beim Bokeh ist das MC Rokkor 1:1.7 85mm bei f2.8 eine Klasse für sich,
das MD 2 85mm ist erst ab f4 auf Augenhöhe, muss sich bei weiter geöffneter
Blende dem älteren und auch noch lichtstärkeren Bruder aber doch klar geschlagen
geben. Trotzdem liegt das MD im Testfeld der Brennweiten von 85mm bis 135mm
für mich an zweiter Stelle und ist ab f2.8 und erst recht bei f4 auch für
Bokeh-kritische Anwendungen sehr gut geeignet.
Telezooms 4.5/80-200, 4.5/75-200, 4/70-210, f4.5 bzw. f4
Schärfe: Das 75-200 zeigt bereits bei offener Blende f4.5 über den gesamten
Brennweitenbereich sehr gute Schärfe und liegt damit etwas vor dem älteren
80-200 und noch etwas mehr vor dem 70-210 dieses allerdings bei f4. Der
Vorsprung ist bei längster Brennweite noch etwas ausgeprägter, bei kürzeren
dagegen minimal. An die Schärfe der 85iger bei f4 kommt aber auch das
75-200 bei f4.5 nicht ganz heran, wohingegen die 135iger sich bei f4 gegen
das 75-200 bei f4.5 sehr warm anzuziehen haben.
Bokeh: Alle drei zeigen sehr enttäuschendes Bokeh, das dem Vergleich mit den guten
Festbrennweiten nicht standhält. Das 75-200 kann sich z.B. bei 135mm kaum vom
Tokina bei f4 distanzieren. Nur minimal besser schlägt sich IMHO einzig das 70-210.
Telezooms 4.5/80-200, 4.5/75-200, 4/70-210, f5.6
Schärfe: Die Unterschiede sind noch geringerals bei offener Blende. Das 75-200 spielt
in diesem Trio jedoch immer ganz vorne mit und das 80-200 müht sich jeweils mitzuhalten.
Bokeh: Alle drei zeigen erneut kein hochklassiges Bokeh.
Das 75-200 erreicht bei 75, 100 und 135mm Brennweite bestenfalls neutrales Bokeh,
bei 200mm jedoch nicht einmal mehr ganz neutrales Bokeh.
Das 80-200 ähnelt bei f5.6 dem 75-200 wie eineiige Zwillinge.
Das 70-210 kann sich hier lediglich bei längster Brennweite etwas
besser in Szene setzen, indem es hier wenigstens noch neutrales Bokeh abliefert,
bei den kürzeren Brennweiten macht es aber keinesfalls einen besseren Eindruck
als etwa das 75-200, eher umgekehrt.
Fazit Klassische Telezooms 80-200mm:
Hinsichtlich der Schärfe sind die Telezooms IMHO eine durchaus tragbare Alternative
insbesondere zu den 135mm Objektiven dieses Vergleichs. Hinsichtlich des Bokeh jedoch
sind alle drei nicht wirklich ein Ersatz für die erstklassige MC 2.5 100mm Festbrennweite
und insbesondere auch ein MC 1.7 85mm ist mit diesen Tele Zooms nicht annähernd adäquat
zu ersetzen. Innerhalb der Gruppe meiner drei Exemplare hat sich bei diesem Vergleich das
75-200 ganz knapp vor dem 70-210 platzieren können das lediglich abgeblendet bei längster
Brennweite ein etwas schöneres Bokeh geliefert hat. Aus früheren Vergleichen weiß ich allerdings,
dass mein optisch identisches Minolta AF 4/70-210 dem MD 4.5/75-200 auch hinsichtlich der Schärfe,
immer einen ganz heißen Kampf geliefert hatte.
Gesamtfazit:
Bleibt mir eigentlich nur, das Loblied auf meinen persönlichen Champion, im für mich überaus wichtigen
Bereich kurzer Telebrennweiten, anzustimmen.
Überragende Schärfe (mindestens auf dem Niveau bester 50iger), STF "like" Bokeh und das bereits bei
der zum Freistellen idealen Blende f2.8, ja für mich unangetastet und sogar souveräner als ich es erwartet
hätte, mein Favorit bei den kurzen Telebrennweiten:
MC Rokkor 1:1.7 85mm.
Ein Genuß ein solches Exemplar sein Eigen nennen zu dürfen.
Vielleicht noch zur Geschichte meines Exemplars:
Als ich es bekam war es schlechter als dasjenige das ich damals schon hatte.
Daraufhin habe ich es zerlegt, alles mit Zeiss Lenscleaner nach bestem Wissen
gereinigt und auf der optischen Bank wieder sauber zentriert zusammengesetzt.
Es hat sich absolut gelohnt, denn es war wohl doch eine von außen nicht sichtbare
Trübung im Inneren die das Objektiv an seiner wahren Leistung hinderte…
Beste Grüße
Hans