ZITAT(Dirk_Frielingsdorf @ 2008-12-20, 10:33) Negative/Dias vergleichbar zukunftssicher zu lagern ist in einem Prozent der Zeit und mit einem Prozent des monetären Aufwandes erledigt. Und meine Prognosen in diesem Punkt sowie im Punkt funktionstüchtiger Digitalkameras bleiben bestehen und wir buddeln in 10 Jahren (Erinnerungsverlust) und in 20 Jahren (funktionierende DigiCam des Jahres 2008) diesen Thread nochmal aus und schauen dann.
Dieses Argument läuft eben nicht ins Leere. Denn ein 30 Jahre altes Dia oder Negativ, selbst nicht optimal gelagert, enthält noch alle Informationen. Eine nur minimal beschädigte digitale Datei ist unbrauchbar oder nur mit viel Glück und professionellem und entsprechend teurem Aufwand wiederherstellbar, Matthias hats erläutert. Die Masse der heutigen Digitalkamera-User stehen in Zukunft ohne sichtbare Erinnerung an ihr Leben da. Von wenigen Ausnahmen, die heute richtig digital archivieren, abgesehen. Die Zeit wird mir recht geben...
Oder warum fangen die Profis an, ihre digitalen Dateien auf Film zu speichern?? Ein Riesengeschäft für die Filmproduzenten...[/quote]
Das Problem der Erhaltung digitaler Daten sehe auch ich noch als nicht gelöst an.
Ob es an kippenden Bits, an sich ändernden Datenträgerformaten, Hardware-Schnittstellen oder Dateiformaten liegen wird, ist letztlich egal, kaum jemand, der nicht professionell davon lebt, wird sein digitales Archiv alle paar Jahre auf neue Medien umkopieren und in neue Formate transferieren - so wichtig ist das eben den meisten Leuten dann doch nicht - den Nachkommen aber vielleicht später schon...
Die Datenträger werden irgendwo eingemottet und in zwanzig, dreißig, vierzig Jahren, wenn vielleicht Interesse an den alten Schätzen aufkommt, wird man vor den Medien stehen und (ohne erhebliches IT-Wissen) keine Chance mehr haben, diese in einen dann gängigen Computer zu übertragen.
Daß das so kommen wird, ist für mich gewiß, man braucht sich nur mal vorzustellen, man bekäme heute eine Floppy aus den Siebziger Jahren, den Anfängen der modernen "Computerei". Ich denke, nicht mal 0,01% der Bevölkerung wird in der Lage sein, die Daten dieser Diskette noch in einen aktuellen Computer zu übertragen (vorausgesetzt, die Magnetisierung der Diskette hätte nicht sowieso schon gelitten). Mal davon abgesehen, daß 8-Zoll-Floppylaufwerke heute praktisch nur noch in Museen zu finden sind, es gab damals allein für das Standard-Betriebssystem CP/M weltweit weit mehr als 1000 (! verschiedene, untereinander inkompatible Diskettenformate alleine innerhalb dieser Betriebssystemfamilie, für die jeweils angepaßte Betriebssystemausgaben und Hardware existierten. Die meisten Leute besitzen heute ja noch nicht mal mehr 5,25"- oder 3,5"-Floppy-Laufwerke, mit denen immerhin viele IBM-PC-Formate gelesen werden könnten. Wer hat heute noch ein funktionierendes Zip- oder Syquest-Laufwerk, die noch vor zehn Jahren weitverbreitete Medien für digitale Bilddateien waren? Mit der zunehmenden Ablösung der ISA-Architektur, an der sich die Rechner der letzten 25 Jahre orientierten, besitzen manche Mainboards die notwendigen Anschlüsse auch gar nicht mehr. Und wenn man die Daten mit einem historischen Laufwerk und Computer wieder ausgelesen bekommt, werden viele daran scheitern, die Daten von diesem Rechner in einen PC zu übertragen - im Grunde bleibt als einzige Brücke zwischen diesen Welten eine serielle Terminalverbindung; aber selbst serielle Schnittstellen nach RS232C sind durch USB auf dem Rückzug. Und selbst wenn all das gelingt, bräuchte man einen sehr guten Überblick über die Entwicklung der letzten Jahrzehnte und/oder Programmierkenntnisse, um die alten Dateiformate in Formate zu übertragen, mit denen heutige Software noch irgendwas anfangen kann.
Jetzt stellt Euch vor, Ihr bekommt nicht eine solche Diskette, sondern ein paar hundert (also ein richtiges Archiv). Will man seinen gesamten Lebensabend damit verbringen, in akribischer und z.T. detektivischer Kleinarbeit die Daten aus seiner Jugend für den Nachwuchs zu retten?
Aber wir brauchen gar nicht so weit in die Vergangenheit zu gehen, es gibt heute schon einige Bildformate von etwa zehn Jahre alten Digitalkameras, die von aktueller Software nicht mehr verstanden werden. Auch den Raw-Formaten der Minolta- und Konica Minolta-Kameras wird das meiner Einschätzung nach in einigen Jahren so ergehen. Die herstellereigene Software wird nicht mehr gepflegt und läuft meines Wissens nur noch mit Glück unter Windows Vista. Was wird mit dem Nachfolger sein? Was ist erst mit ganz anderen Betriebssystemen? Windows war nicht immer da, und es wird auch nicht immer dableiben... Das Sony-ARW-Format ist ebenfalls nicht dokumentiert, DNG wird selbst von aktuellen Kameras nicht unterstützt.
Oder nehmen wir an, jemand hätte seine Bilder auf Festplatten gesichert (da richtige Backup-Lösungen ja durchaus teuer sind) und würde sich jetzt einen neuen Rechner anschaffen. Platten mit PATA-Interface lassen sich an aktuelle Mainboards nicht mehr anschließen, da diese nur noch SATA bieten. Vor ein paar Jahren hätte man sich das sicherlich noch nicht vorstellen können - PATA, das ist zukunftssicher! War es auch, denn dutzende andere Interfaces sind schon viel früher ausgestorben... Übrigens sind auch Compact Flash Karten mittelfristig vom Aussterben bedroht, da sie auf dem PCMCIA/PC Card-Standard basieren, der wiederum vom parallelen "AT"-Interface abgeleitet ist. Eine Zeitlang wird es noch Adapter und Konverter geben, aber wer dieses Zeitfenster verpaßt (siehe Stichpunkt "eingemottet" oben), steht in fünf bis zehn Jahren da und wird nur mit Schwierigkeiten seine Daten noch lesen können.
Und natürlich können auch Unfälle passieren. Ich hatte gerade erst vor einigen Tagen ein Gespräch mit einem (durchaus seit Jahrzehnten computererfahrenen) Kollegen, dem beim Umkopieren der Bilder einen kleiner Fehler unterlaufen ist, den er erst bemerkte, nachdem er die Quelldaten vernichtet hatte , wodurch die digitalen Bilder der frühen Kindzeit seiner Kinder verloren gingen. Man sollte es nicht glauben, aber sowas kommt vor.
Zugegeben, ein Filmbild leidet im Laufe der Zeit auch: Als ich neulich Fotos meiner Eltern aus meiner frühsten Kindzeit und davor zu sichten begann, liefen mir fast die Tränen runter, wie verblichen und z.T. in den Glasrahmen angestockt manche Dias aus den langen Anfängen der Farbfotografie inzwischen sind (zum Glück nicht alle). Sie waren einfach nur 35 - 50 Jahre in einem lichtdichten Schrank ohne Luftzirkulation auf dem Speicher gelagert. Einen Teil der Bilder habe ich in meiner Jugend noch selbst in Projektion gesehen und weiß von daher, wie schön sie damals noch aussahen. Wieviel sich davon noch durch Restauration nach dem Scannen retten lassen wird, wird sich erst noch zeigen... Aber hätte es damals schon Digitalkameras gegeben, stünde ich jetzt garantiert vor dem Nichts. Meine Eltern haben zwar nebenbei fotografiert, sind aber weder Fotoexperten noch Computerspezialisten und dürften damit zur Mehrheit gehören... Einige über die Flucht hinweg geretteten sehr viel älteren Schwarzweißbilder meiner Ahnen sind hingegen immer noch in erstaunlich gutem Zustand. Es existieren auch noch einige offenbar über 70 Jahre alte 35mm-Schwarzweißfilme, die etwas spröde geworden sind und insofern nur noch auf sehr guten Filmprojektoren abspielbar wären, wenn wir sie nicht sicherheitshalber vor einigen Jahren auf Hi8-Video umkopiert hätten - nebenbei: auch schon wieder ein lange totes Format, die nächste Umkopieraktion vom Original steht dann wohl bald bevor! Aber unglaublich, Bewegtbilder aus dieser Zeit in so einer hohen Qualität zu sehen. Aus meiner eigenen Kindheit gibt es solche Aufnahmen hingegen nicht mehr bzw. nur noch Bruchstücke von 8mm-Farbfilmen von praktisch nicht mehr nutzbarer Qualität.
Meine eigenen Dias der letzten Jahrzehnte werden sicherlich mit der Zeit auch etwas ausbleichen, aber mit Sicherheit auch noch in fünfzig Jahren, wenn ich schon lange nicht mehr bin, gut betrachtbar sein (sofern sich dann noch jemand dafür interessiert). Man braucht nur eine Lupe und etwas Licht dazu - das wird es hoffentlich auch in fünfzig Jahren noch geben... Die "neueren" Farbfilme (der letzten Jahrzehnte) sind sehr viel stabiler, als die aus der Frühzeit der Farbfotografie.
Und genauso ist die Digitalfotografie derzeit noch zu jung, als daß bei den Anwendern und Herstellern schon ein Fokus auf Archivierbarkeit gelegt würde. Das wird sich nicht nur in der eigenen Familienchronik später als Aufzeichnungslücke erweisen, sondern auch global als "weißer Fleck" in der Geschichte mit nur wenigen die Zeit überdauernden Dokumenten - allen Aussagen von der verlustfreien Kopierbarkeit digitaler Medien zum Trotz:
http://www.mi-fo.de/forum/index.php?s=&...st&p=226411
Viele Grüße,
Matthias