RE: Nachtwey und Ethik

#1 von chess , 16.07.2007 11:24

Hallo Zusammen

ich hatte letzten Freitag ein Seminar über Pressefotografie und Ethik. Unser Dozent hat in diesem Zusammenhang vor einiger Zeit einen Artikel verfasst, der sich mit diesem Thema befasst, Aufhänger ist der Film "War Photographer". Ich fand seine Ansicht ganz interessant. Wer sich dafür interessiert, findet den Artikel unter

http://www.eurozine.com/articles/2004-09-13-durrer-de.html


Wie ist eure Meinung zu diesem Thema? Würde mich doch mal interessieren.

Gruss Simon


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RE: Nachtwey und Ethik

#2 von damn ed ( gelöscht ) , 16.07.2007 14:36

Nun ja,


ein sicherlich ambitionierter Text, der sich aber doch in der Vielzahl und Beliebigkeit der Zitate verliert.
Was will uns Hans Durrer nun sagen?

James Nachtwey bewege sich in einem Grenzbereich von Moral und Ethos?
Sicherlich tut er das! Viele Künstler tun das. Das ist Teil und auch Grundlage ihrer Berufung. Nachtwey ist mehr als ein Kriegsfotograf. Er tut mehr als seinen Lebensunterhalt davon zu bestreiten. Nachtwey schaut hin, wo viele wegschauen (Er hat um das Leben des Mannes beim Mob gebettelt. Alle anderen fotografen haben ihren Arsch gerettet).
Gut, dass einer hinschaut! Gut, dass einer die Schuld auf sich lädt, damit der Schrecken für alle sichtbar wird.

Hätten die Amerikaner Dachau und Begen-Belsen nicht filmen sollen. Hätten sie keine Fotos machen sollen?
Oder ist es vielleicht nicht viel moralischer eben genau diese Bilder zu machen, damit die Welt sich nicht herausreden kann?

Natürlich gibt es skrupellose und sensationslüsterne Fotografen.
Das sind aber Charakterzüge, die sich nicht auf Fotografen beschränken.


Mir bleibt schleierhaft was Durrer denn will.
Soll ein Fotograf ein Foto machen und danach den Menschen retten, den er fotografiert hat?
Ja!. "Eigentlich" sollte er das und zwar bevor er ihn fotografiert hat.
Aber wie oft? Jedes Mal? Nur manchmal? Nur in extremen Fällen? Was ist extrem? Ist nicht jede Hilfe gleich wichtig?
Wenn er das tun würde, wäre er aber kein Fotograf mehr, sondern bei einer Hilfsorganisation. Seine Berufung ist es den Schrecken zu zeigen. Andere haben die Berufung den Schrecken zu lindern.

Durrer leidet sichtlich darunter, dass die Welt so verroht ist, wie sie ist. Verständlich! Geht mir nicht anders.
Ich kann mir eine bessere Welt sehr wohl vorstellen und mir diese auch wünschen.
Ein Fotograf, besonders James Nachtwey, versucht die Welt ein Stück weit besser zu machen mit seinen Bildern. Er desillusioniert uns. Auch Durrer. Das scheint er ihm "übel" zu nehmen. Nachtwey hat ihm auf eindrückliche Weise gezeigt wie grausam der Mensch ist.

Er sollte ihn deswegen nicht für unmoralisch halten, sondern ihm dankbar sein.

Insgesamt ein doch sehr wüster Text über allgemeine Grenzbereiche der Fotografie, das Zufällige eines Bildes, die Wahl des Fotografen zwischen "Pest und Cholera", wie "wahr" ist ein Bild und so weiter und so fort. Das ganze dann angereichert mit zum Teil einfach falschen und einseitigen historischen Bezügen.

Ich respektiere die Meinung Durrers und kann seine Motivation durchaus nachvollziehen. Doch die Schlüsse die er zieht erscheinen mir nicht richtig.


damn ed

RE: Nachtwey und Ethik

#3 von .Markus , 16.07.2007 21:48

Hier ein Link zu einem stream, wenn sich jemand selbst ein Bild über die Arbeit von Nachtwey machen will:


http://ted.streamguys.net/ted_nachtwey_j_2007_480.mov


Der stream erfordert eine schnelle Internetverbindung und zeigt Nachtwey bei der Preisverleihung 2007 des renommierten TEDPrize. Im Laufe der Rede sind viele Fotos aus der langen Karriere von Nachtwey zu sehen.


Versuche, unwichtig auszusehen. Sie könnten knapp an Munition sein.


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RE: Nachtwey und Ethik

#4 von chess , 17.07.2007 08:19

Guten Morgen Zusammen

Der Text von Durrer ist sicher nicht über alle Zweifel erhaben und auch sehr einseitig. Halt einfach seine Sicht der Dinge, die ich nicht in jedem Fall Teile. Ich fand es aber auf jeden Fall interessant, sich mal mit dem Thema auseinander zu setzen.

Ob die Motivation von Nachtwey, wie er sie im Film beschreibt, wirklich sein ganzer Antrieb ist oder ob er einfach nur den Adrenalinkick sucht wie ein Basejumper kann ich nicht beurteilen. Ich hab ihn noch nie persönlich getroffen und nur aufgrund des Films masse ich mir kein Urteil an. Was ich aber beurteilen kann, ist wie der Film auch mich wirkt. Ich habe ihn mittlerweile mindestens fünf Mal gesehen und eigentlich lässt er mich immer mit gemischten Gefühlen zurück. Einerseits bewundere ich Nachtwey für seine Arbeiten, andererseits verstehe ich nicht, wie man so sein Geld verdienen kann. Ich möchte seinen Job auf jeden Fall um keinen Preis der Welt ausüben.

Noch was zum Thema Kevin Carter und seinem Pulitzerpreisgekrönten Bild: Carter hat damals angegeben, dass er ca. 20 Minuten vor dem Kind und dem Geier gewartet habeund hoffte, dass der Geier seine Flügel öffnet. Sollte noch etwas spektakulärer aussehen. Wenn ich mir vorstelle, dass ich 20 Minuten vor einem dem Hungertod nahen Kind am Boden sitze ohne zu helfen...das übersteigt meine Vorstellungkraft dann definitiv. Ich könnte mich nicht mit dem Argument "Ich bin nur Fotograf und hier um zu sehen" herausreden. Vor der Welt vielleicht, aber nicht vor meinen Kindern oder meinem Spiegelbild.

@Damn Ed: Die im Film dargestellte Szene aus Malaysia (war's glaub, oder?), als Nachtwey angebllich um das Leben des Mannes gebettelt hat...ich persönlich habe Probleme mit der Vorstellung, dass man gleichzeitig um das Leben eines Mannes betteln und dabei solche Spitzenaufnahmen wie Nachtwey machen kann.


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RE: Nachtwey und Ethik

#5 von torfdin , 19.07.2007 00:25

wenngleich ich selbst nie den Weg eines Kriegsfotografen einschlagen würde, weil ich andere Ansprüche an mich habe, sollte definitiv solchen Kriegsfotografen Respekt gezollt werden.

Das Besondere an Kriegsfotografen ist, dass sie mit dem selben Mutwillen, mit dem sich andere Leute immenses Leid zufügen, genau dieses Leid dokumentieren.
Dieser Mutwillen ist das erschütternde - und polarisierende.


Grüße
torfdin


Vertrauen ist das Gefühl, einem Menschen sogar dann glauben zu können, wenn man weiß, daß man an seiner Stelle lügen würde. - Henry Louis Mencken


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