ZITAt (ingobohn @ 17.07.2006 - 13:42) Ich habe mir damals bewßt auch die M6 und nicht das "Elektromonster" M7 ausgesucht, weil ich auf lange Solidität setzen wollte. eine "M8" wird noch ein paar Gramm mehr Elektrik im Bauch haben, was sie nicht zuverlässiger macht als die M6.[/quote]
Hm, ich möchte hier mal ein paar Dinge in Perspektive setzen: ;-)
Mechanik ist nicht per se zuverlässiger als Elektronik, eigentlich eher im Gegenteil. Auch bei heutigen, mit Elektronik vollgestopften Kameras fällt meist ein mechanisches oder elektromechanisches Teil aus, nicht ein elektronisches (Ausnahme vielleicht Digitalkameras mit ihrer anfälligen Sensoren).
Kann Elektronik Mechanik komplett ersetzen, dann wird ein Gerät in der Regel deutlich zuverlässiger, kann sie nur Teile ersetzen und braucht "nach außen hin" elektromechanische Fühler (Schalter) und Aktuatoren (Magnete, Motoren), dann hängt die Zuverlässigkeit des Gesamtsystems letztlich davon ab, wie zuverlässig diese Zwischenglieder arbeiten. Solche elektromechanischen Teile fallen relativ häufig aus, aber wenn man sich dann den Fehler mal im Detail anschaut, sind auch diese Ausfälle meist auf ein mechanisches Problem zurückzuführen: Bei einem Schalter kann etwas brechen oder sich verbiegen, es kann Abrieb entstehen oder ein schlechter Kontakt durch Korrosion. Bei einem Verschlußmagnet oder einem Motor wird in den allerwenigsten Fällen eine Wicklung durchbrennen, sondern der Ausfall ist auf Verschleiß, Materialermüdung (z.B. Brüche oder sich auflösende Kleber, wenn sich der Kern eines Motors von der Achse löst und so die Kraftübertragung nicht mehr gewährleistet ist), mangelnde Schmierung oder Korrosion (Reibung), sich zersetzende Schmierstoffe (verölte Blenden- oder Verschlußmagnete) oder Kabelbrüche zurückzuführen. Das sind aus meiner Sicht letztlich alles mechanische oder werkstofftechnische Probleme, jedenfalls wäre ihnen mit höherem mechanischen Konstruktionsaufwand und Einhaltung höherer mechanischer Qualitätsstandards in der Fertigung beizukommen. Das Problem ist, daß heute aus Kostendruck oft minderwertige mechanische Konstruktionen und Materialien eingesetzt werden (z.B. Getriebe aus Kunststoff), d.h. die Teile sind auf eine konkrete Lebensdauer hin optimiert, nicht darauf, "ewig" zu halten. Wenn so ein Gerät dann ausfällt, wird das viel zu schnell auf die Elektronik geschoben, in Wahrheit ist es meist die Mechanik, die ausfällt.
Es kommt - im Vergleich - seltenst vor, daß mal wirklich ein elektronisches Bauteil kaputt geht, die häufigsten Probleme dabei dürften noch gealterte Elektrolytkondensatoren, kalte Lötstellen und ESD-/Überspannungsschäden sein, wobei letztere bei einem sauber designten Produkt fast nicht vorkommen, es sei denn, das Gerät wurde grob falsch behandelt. Bei Fehlern/Einsparungen im Design brennt auch schon mal ein Treibertransistor durch, aber damit hat sich's meist auch schon. Im Grunde sind das harmlose Fehler, weil oft noch mit Standardbauteilen zu reparieren (gegenüber dem Austausch eines Zahnrades o.ä.) Daß das heute nicht mehr gemacht wird und im Falle eines Falles schnell ganze Baugruppen getauscht werden, steht auf einem anderen Blatt. Das liegt daran, daß in den Reparaturbetrieben das nötige Fachwissen fehlt oder daß es schneller geht und bei den niedrigen Herstellungskosten für Elektronik obendrein noch billiger ist.
Ich finde, das Argument, das fälschlicherweise immer voreilig gegen Elektronik geführt wird, ist eigentlich ein Argument gegen Komplexität (unabhängig von der konkreten Implementierung als mechanische oder elektrische Konstruktion). Es ist nur logisch, daß ein Gerät mit hoher Komplexität (d.h. höherem Ordnungszustand) anfälliger ist, als eines auf einem niedrigeren Ordnungszustand. Quasi eine systemtheoretische Beschreibung des: "Wer hoch hinaus will, kann tief fallen." ;-) Denn letztlich ist es nur unter permanentem Einsatz (hier: Pflege, Reparatur von Fehlern, allgemein: von Energie) möglich, einen hohen Ordnungszustand zu erhalten. Alles andere strebt unweigerlich dem "Chaos" (niedrigster Ordnungszustand) entgegen. Würde ein mechanisches Gerät die gleiche Komplexität erreichen wie ein elektronisches, dann gäbe es mit Sicherheit deutlich mehr Ausfälle. Ich vermute, daß die Ausfälle dermaßen häufig wären, daß man an die eigentliche Arbeit mit dem Gerät fast nicht mehr denken könnte. Man erinnere sich nur an die (für heutige Verhältnisse wenig komplexen) frühen Computer mit Relais oder Röhren - da war ständig eine ganze Mannschaft damit beschäftigt, die Teile zu warten, damit man irgendwann zwischendurch auch noch mal rechnen konnte... ;-)
Damit das niemand falsch versteht, ich finde mechanische Kameras auch faszinierend, aber nicht, weil ich sie als zuverlässiger vom Konstruktionsprinzip her ansehen würde, sondern weil sie eben andere Anfaßqualitäten bieten und es in Staunen/Achtung versetzt, was überhaupt mit purer Mechanik alles schon möglich war/ist. Ich sehe das als Kunst an - mit wenigen vorhandenen Ausdrucksmitteln (oder mit bewußter Konzentration auf wenige) etwas Großes zu erreichen - das schaffen nur Meister des Fachs.
Und dann gibt es natürlich auch Einsatzfälle, wo Mechanik nach wie vor echt Sinn macht, z.B. wenn eine Kamera auf einer langen Expedition auch ohne Strom funktionieren soll. Genauso macht für mich eine mechanisch aufwendige Spiegelreflexkonstrukton auch in Zeiten elektronischer Bridgekameras noch Sinn (um mal gegen Sonys "the design must become more electronic" zu reden), aber nicht, weil sie zuverlässiger wäre, sondern weil sie fotografische Möglichkeiten bietet, die mir sonst einfach fehlen.
Für viele spielt vielleicht auch die Psychologie mit, daß sie sich gedanklich eher mit etwas anfreunden können, daß sie (im wahrsten Sinne des Wortes) "begreifen" können, wo man als Mensch (zumindest im Prinzip) noch "sehen" kann, wie es funktioniert. Daß Elektronik im Grunde ähnlich klaren Gesetzmäßigkeiten folgt, nur daß die Vorgänge nicht für Menschen sichtbar sind und nur anhand derer Folgen nachvollziehbar sind, erzeugt wohl oft eine gewisse Hemmschwelle gegenüber dem "Unbekannten". Wenn man aber mit der Materie vertraut ist, also gedanklich in die Chips hineinschauen kann und eine genaue Vorstellung davon hat, wie z.B. so ein Halbleiter auf physikalischer Ebene funktioniert, welche Strukturen ein Computer hat und was Logik und Algorithmen sind, dann verliert Elektronik sofort diesen Hauch des Bedrohlichen. Auf mich übt es jedenfalls eine ähnliche Faszination aus, wenn ich "spüre", daß ein Entwickler an eine bestimmte, vielleicht nicht besonders offensichtliche Zustandskombination gedacht und diese in einen besonders sinnvollen Arbeitsablauf der Kamera umgesetzt hat (ich "sehe" dann vor meinem geistigen Auge regelrecht den Programmcode mit all seinen Fallunterscheidungen und Schleifen usw. - wenn sowas sehr gut durchdacht ist, ist auch das für mich eine hohe Kunst - "große Programmierer" sind für mich sowieso mehr Künstler als Ingenieure...).
Lange Rede, kurzer Sinn:
Einer mechanischen einer elektronischen Kamera aus Gründen der Zuverlässigkeit den Vorzug zu geben, hat wahrscheinlich weniger wirklich etwas mit Mechanik oder Elektronik an sich zu tun, als einfach mit dem - absolut legitimen - bewußten Verzicht auf Dinge, die man nicht braucht ("back to the roots" als Lebensphilosophie oder eigenem Kunstverständnis), gepaart mit einem Anspruch an kompromißlose Fertigungsqualität (die es eben in elektronischen Kameras nur sehr selten gibt, da sonst viel zu teuer). Wäre das möglich? ;-)
(Ich würde mich darin jedenfalls durchaus wiederfinden können, obwohl ich eben überhaupt kein Gegner von - hochwertiger - Elektronik bin.)
Viele Grüße,
Matthias
EDIT: Siehe auch:
http://www.mi-fo.de/forum/index.ph...ost&p=72830