SW Film Übersicht
Schwarzweiss-Film digital
Schwarzweißfilm ist einzigartig in seiner Ästhetik und Vielfalt. Und gerade Schwarzweiß-Fotografen bietet die digitale Bildbearbeitung unzählige kreative Wege, das Potenzial ihres Materials präzise auszuschöpfen. Wir haben 20 Filme von 25 bis 3200 ISO auf ihre Charakteristik und Scanverträglichkeit hin verglichen.
Jeder Trend erzeugt einen Gegentrend: Die Omnipräsenz digital aufgenommener Fotos in oft eher zweifelhafter Qualität bringt immer mehr anspruchsvolle Fotografen dazu, sich wieder intensiv mit Film zu beschäftigen. Vor allem Schwarzweißfilm hat für diese Klientel wachsende Attraktivität, da er eine Flexibilität bei der Ausarbeitung bietet, die Farbmaterial nicht hat. Auch zeichnet Schwarzweiß eine spezielle Ästhetik aus, die die Seh-Disziplin und das Vorstellungsvermögen des Fotografen in besonderer Weise fordert – ein Farbbild in Schwarzweiß umzuwandeln führt hingegen oftmals zu enttäuschenden, nichtssagenden Resultaten. Nicht zuletzt bietet die Variationsbreite der Korncharakteristik unterschiedlicher Filme Gestaltungsoptionen, die sich digital nur unbefriedigend simulieren lassen. Gerade für Schwarzweißfotografen lohnt es sich jedoch, hybrid zu arbeiten. Nach dem Scannen stehen die Aufnahmen für eine schier unbegrenzte Bandbreite von Korrektur- und Ausgabemöglichkeiten zur Verfügung. Zur Maximierung der Freiheitsgrade empfiehlt sich, auch die Entwicklung des Films selbst zu übernehmen. Dies ist grundsätzlich einfach, macht Spaß und führt schon mit Standardlösungen zu sehr guten Ergebnissen. Wer will, kann natürlich auch mit verschiedenen Entwicklern oder Variationen der Entwicklungszeit, -temperatur und -konzentration experimentieren – aber einer der größten Vorzüge des hybriden Arbeitens ist, die damit verbundenen Unwägbarkeiten zu umgehen und Grauwertdifferenzierung und Gradation am Monitor direkt auf Sicht und vor allem reversibel je nach Gestaltungsabsicht präzise beeinflussen zu können.
Filmwahl
Empfindlichkeit, Kornstruktur, Auflösungsvermögen und Abbildungsschärfe sind die Hauptkriterien der Auswahl des für die eigenen fotografischen Absichten geeignetsten Films. Doch es gibt noch mehr relevante Aspekte, etwa das Vorhandensein oder Fehlen einer Lichthofschicht, die vor Überstrahlungen schützt, eine besonders steile oder flache Gradation, hohe respektive niedrige Rotsensibilität oder das Verhalten beim Scannen. Wie an den Übersichten der Testfotos (Originalgröße etwa halbes Filmformat) und vor allem an den Ausschnitten (zirka 6 mal 4 mm Originalgröße) zu sehen ist, unterscheiden sich die untersuchten Filmtypen deutlich. Wer extreme Vergrößerungen ohne Korn bevorzugt, braucht niedrigempfindliche Filme bis etwa ISO 50. Diese Filme stellen wegen der hohen Auflösungsfähigkeit extreme Anforderungen an das Objektiv, das Können des Fotografen und den Scanner. 4000 ppi Scanauflösung sind das Minimum – selbst dann ist praktisch noch kein Korn sichtbar. Mittelempfindliche Schwarzweißfilme (ISO 100 bis ISO 400) sind auch mit Mittelklassescannern gut digitalisierbar. Wer ein akzentuiertes Korn mag, greife zu Filmen der höheren Empfindlichkeitsstufe. Die Kristalle eines 400-ISO-Films sind einerseits groß genug, um problemlos auch von einem 3000-ppi-Scanner als Korncharakteristik erfasst zu werden, und andererseits noch nicht zu groß für eine hinreichend differenzierte Wiedergabe. Dies ist anders bei hochempfindlichen Schwarzweißfilmen bis 3200 ISO, deren grobes Korn zudem nicht zu jedem Motiv passt. Filmscanner mit Auflösungen unter 3000 ppi scheitern hier an der Erfassung der lichtundurchlässigen Silberkristalle – ein Scan kann dann so aussehen, als ob schwarze Kiesel auf weißen Hintergrund liegen würden.
Testaufnahmen
Konstante Bedingungen sind das A und O für einen aussagekräftigen Vergleich. Ideal ist ist ein statisches Motiv mit mindestens 10 Blendenstufen Kontrastumfang in einem Studio. Wichtig zur Beurteilung der Bilder ist auch, dass die Anpassung an die Filmempfindlichkeit nur durch Regelung der Lichtstärke oder der Belichtungszeit geschehen darf. Durch Verstellen der Blende würde sich die Schärfecharakteristik ändern. Wer einen solchen Test nachstellen möchte, belichtet am besten einen ganzen Film mit demselben Motiv und entwickelt sicherheitshalber dann jeweils nur kurze Teilstücke, zumal bei geringer Laborerfahrung.
Entwicklung
Zum Entwickeln sind neben den Chemikalien eine Entwicklungsdose, Thermometer, Stoppuhr, Messbecher, einige Kunststoffklammern und vier Kunststoff-Weithalsflaschen für die Chemikalienlösungen vonnöten. In der ersten Flasche wird der Entwickler nach der Anweisung des Herstellers angesetzt. Um Erfahrungen zu sammeln, empfiehlt sich ein Standardentwickler wie Kodak D-76 oder der praktisch identische Ilford ID-11 (den auch wir unverdünnt bei 20° C verwendet haben). Diese Entwickler sind für alle Schwarzweißfilmtypen geeignet und ergeben eine gute Schärfe und Feinkörnigkeit bei hohem Tonwertreichtum; nur für den Gigabitfilm ist ein – mitgelieferter – Spezialentwickler notwendig. In der zweiten Flasche wird als Stoppbad dreiprozentige Essigsäure vorbereitet. In der dritten Flasche wird der Fixierer nach Herstellerangabe angemischt und in der vierten ein Netzmittelbad. Nun gilt es im Dunkeln die Filmstücke in die Entwicklerspule einzuziehen, die dann in die lichtdichte Entwicklungsdose kommt. Danach kann es im Hellen weitergehen. Zunächst bringen wir den Entwickler auf die gewünschte Temperatur, was zum Beispiel in einem Wasserbad vonstatten gehen kann, und lesen die zum Film passende Entwicklungszeit aus der Tabelle des Herstellers ab. Danach geht alles nach einem einfachen Ablauf: Entwickler in die Entwicklerdose kippen, Dose verschließen und Stoppuhr starten. Dose mehrmals hart aufsetzen, um Luftbläschen vom Film zu lösen, und binnen 10 Sekunden viermal kippen. Dieses Kippen geschieht auch am Anfang jeder Minute der Entwicklung. Wenn die Entwicklungszeit fast um ist, kippen wir den Entwickler in seine Flasche zurück und füllen das Stoppbad in die Entwicklungsdose. Die Dose wird wieder mehrmals gekippt, und nach einer Minute geben wir das Stoppbad zurück in die Flasche. Dann füllen wir das Fixierbad ein und lassen es je nach Filmtyp für 4 bis 8 Minuten bei gelegentlichem Kippen in der Dose. Anschließend wässern wir den Film nochmals 10 Minuten lang mit fließendem Wasser, tauchen ihn dann in das Netzmittelbad, nehmen ihn aus der Entwicklerspule heraus und hängen ihn schließlich an einem staubfreien Ort zum Trocknen auf.
Scannen
Nach dem Trocknen scannen wir die Filme nach immer demselben Ablauf, um sie vergleichen zu können. Wir benutzen den Minolta Dimage Scan Elite 5400, der sehr gut mit Schwarzweißfilm zurechtkommt, auch wenn die automatische Kratzer- und Staubentfernung Digital ICE bei Filmen auf Silbersalzkristallbasis nicht einsetzbar ist. Der Scan erfolgt mit 16 Bit Farbtiefe bei 5400 ppi als Farbdia mit automatischer Helligkeitseinstellung. In Photoshop führen wir eine automatische Tonwertkorrektur durch, wodurch der Helligkeitsumfang angepasst wird und etwaige Farbstiche verschwinden. Zum Schluss invertieren wir das Bild und nehmen anhand eines konstanten Messpunkts eine Gammakorrektur vor. Ergebnis: ein Tableau der Charaktervielfalt.
Kai Hamann (http://www.Hamann-Imaging.com)