RE: Solargraphien - Langzeitbelichtungen der Sonne

#1 von matthiaspaul , 19.04.2009 16:05

Liebe Freunde der analogen Fotografie,

als Solargraphen oder Solargraphien bezeichnet man extreme Langzeitbelichtungen, auf denen der Lauf der Sonne dokumentiert wird. Es kann sich dabei um Aufnahmen mit Belichtungszeiten von mehreren Stunden bis hin zu einem Tag handeln, auf denen die Sonne ihre Bahn durch den Tag zieht, aber auch um Belichtungen über Wochen und Monate bis gar hin zu einem vollen Jahr, wodurch der jahreszeittypische Gang der Sonne sichtbar wird. Die ersten derartigen Aufnahmen wurden offenbar um 2000 bis 2001 von einem (polnischen?) Team namens "Solaris" angefertigt.

Wie bekommt man nun solche Aufnahmen hin?

In jedem Fall braucht man ein stark abgeblendetes Objektiv und/oder starke Neutralgraufilter sowie ein niedrigempfindliches Aufnahmemedium. Normaler Film ist viel zu empfindlich.

Auf den folgenden Seiten beschreibt Justin Quinnell z.T. mit dem typischen britischen Humor, wie er Solargraphien mit einer selbstgebauten Lochkamera, bestehend aus einer Bier- oder Filmdose, hergestellt hat. Als Aufnahmemedium hat er mattes Schwarzweiss-Fotopapier in der Größe 5x7" (für die Bierdosenkamera) bzw. 70mm x 45mm für die Filmdosenkamera verwendet. Nach einer bis zu sechs Monate lang andauernden Belichtung hat er die an verschiedenen Orten mehr oder weniger fest installierten Kameras wieder eingesammelt, das Fotopapier im Dunkeln entnommen und das latente Bild mit einem Flachbettscanner eingelesen. Erstaunlicherweise liefert der Scanner ein farbiges Bild! Es ist sehr wichtig, daß das Fotopapier vorher nicht entwickelt/fixiert wird, da das Papier sich dadurch schwarz färben würde. Selbstredend kann der Scanvorgang nur ein einziges Mal pro Bild erfolgen, da das latente Bild durch die Belichtung im Scanner zerstört wird. Das Ganze hat also schon eine gewisse Magie... ;-)

http://apod.nasa.gov/apod/ap090115.html
http://www.pinholephotography.org/SSGB%20Page.htm
http://www.pinholephotography.org/Solargra...nstructions.htm

Auch hier finden sich verschiedene Solargraphie-Experimente:

http://www.flickr.com/photos/foundphotogra...57612887637912/
http://www.foundphotography.com/2009/03/what-is-solargraphy/
http://www.foundphotography.com/2009/04/so...long-exposures/

Tarja Trygg beschäftigt sich schon seit 2002 mit dem Thema und hat ein Mitmach-Projekt ins Leben gerufen, bei dem Solargraphien aus aller Welt gesammelt werden:

http://www.solargraphy.com/

Viel Spaß bei eigenen Experimenten,

Matthias

PS. Termine:

Nächste Sommersonnenwende: 2009-06-21
Nächste Wintersonnenwende: 2009-12-22

PS2. Hier ein Beispielbild von Justin Quinnell: "3 months in the death of Blance, Grace and Dorcus", Eastville Cemetary, Bristol, UK. March 13th 2008 - June 21st 2008


"All the important human advances that we know of since historical times began
have been due to individuals of whom the majority faced virulent public opposition."
--Bertrand Russell

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RE: Solargraphien - Langzeitbelichtungen der Sonne

#2 von OliverN , 19.04.2009 19:19

ZITAT(matthiaspaul @ 2009-04-19, 16:05) Wie bekommt man nun solche Aufnahmen hin?

In jedem Fall braucht man ein stark abgeblendetes Objektiv und/oder starke Neutralgraufilter sowie ein niedrigempfindliches Aufnahmemedium. Normaler Film ist viel zu empfindlich.[/quote]

Hallo Matthias, ich würde NIE mit einem optischen Gerät (Fotoobjektiv oder Teleskop) ohne eine "Sonnenfolie" arbeiten.
Die Gefahr der Zerstörung sowie auch des Augelichts sind viel zu hoch.
Ich hatte mir damals bei der SOFI (Sonnenfinsternis) folgende Astrofolie als Rollenware besorgt, und mit Hilfe einer festen, nicht wegfallenden Kappe VOR
das Objektiv/Teleskop befestigt.
Achtung auch eventuelle Sucherfernrohre o.Ä. nicht vergessen.
Die Folie ist hinsichtlich Dichte für die optische Aufnahmen gedacht.

http://www.baader-planetarium.de/sektion/s...lienmessung.htm

Gruß OliverN


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RE: Solargraphien - Langzeitbelichtungen der Sonne

#3 von J.L. , 19.04.2009 20:18

Hallo Matthias,

DAS ist doch mal was interessantes. Danke für den Tip,

Gruß,
Jochen


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RE: Solargraphien - Langzeitbelichtungen der Sonne

#4 von matthiaspaul , 25.06.2009 15:48

Liebe Mitglieder,

da die Sommersonnenwende gerade erst ein paar Tage verstrichen ist, ist jetzt vielleicht noch ein guter Zeitpunkt, hier einzusteigen und einmal eine Solargraphie zu versuchen... :-)

Viele Spaß,

Matthias


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RE: Solargraphien - Langzeitbelichtungen der Sonne

#5 von Noelle , 25.06.2009 16:45

Danke Matthias für die Erinnerung, der Thread ist das letzte Mal an mir vorbei gegangen, das werde ich unbedingt mal ausprobieren!


ein kleiner Teil meiner Bilder bei Picasa


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RE: Solargraphien - Langzeitbelichtungen der Sonne

#6 von matthiaspaul , 13.10.2009 03:59

Hier eine interessante Idee für eine Solargraphie, die Dokumentation der Großraumbaustelle "Potsdamer Platz" in Berlin in zweijährigen Langzeitbelichtungen von 1997-1999 durch Michael Wesely:

http://www.wesely.org/wesely/gruppe.php?var=potsdamerplatz

Viele Grüße,

Matthias


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RE: Solargraphien - Langzeitbelichtungen der Sonne

#7 von matthiaspaul , 23.12.2010 12:42

Da der Termin gerade erst verstrichen ist und damit im Moment ein guter Zeitpunkt zum Einsteigen ist, hier eine kleine Erinnerung für die, die Spaß an Solargraphien haben:

Wintersonnenwende: 2010-12-22
Sommersonnenwende: 2011-06-21

Viele Grüße,

Matthias


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RE: Solargraphien - Langzeitbelichtungen der Sonne

#8 von Reisefoto , 23.12.2010 13:04

Das kling ja interessant und wäre eine schöne Anwendung für einen winzigen Teil meines Orwo Fotopapiers gewesen, das ich im Herbst in den Müll geworfen habe. Vielleicht finde ich im Keller meines Elternhauses noch etwas altes Fotopapier aus meiner Dunkelkammerzeit vor 30 Jahren. Für diese Art der Fotografie dürfte es ausreichen.


www.reiseundbild.de


 
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RE: Solargraphien - Langzeitbelichtungen der Sonne

#9 von stevemark , 23.12.2010 23:58

ZITAT(matthiaspaul @ 2009-04-19, 15:05) ...
Erstaunlicherweise liefert der Scanner ein farbiges Bild! ...
... Das Ganze hat also schon eine gewisse Magie... ;-)
...[/quote]

Weiss Du, welches Papier für farbige Bilder eingesetzt wurde? Ich meine, wohl kaum s/w ... aber selbst bei Farbpapieren kommt mir die Sache noch sehr rätselhaft vor, da ja in der Regel die Farbstoffe erts "in der Chemie" gebildert werden. Einzige Ausnahme ist da das Cibachrome-Verfahren, das die Farbstoffe bereits in der Schicht drin hat. Aber selbst da kann ich mir die Farbigkeit nicht erklären.

Gr Steve


http://www.artaphot.ch


 
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RE: Solargraphien - Langzeitbelichtungen der Sonne

#10 von Mark , 24.12.2010 00:50

ZITAT(stevemark @ 2010-12-23, 23:58) ZITAT(matthiaspaul @ 2009-04-19, 15:05) ...
Erstaunlicherweise liefert der Scanner ein farbiges Bild! ...
... Das Ganze hat also schon eine gewisse Magie... ;-)
...[/quote]

Weiss Du, welches Papier für farbige Bilder eingesetzt wurde? Ich meine, wohl kaum s/w ... aber selbst bei Farbpapieren kommt mir die Sache noch sehr rätselhaft vor, da ja in der Regel die Farbstoffe erts "in der Chemie" gebildert werden. Einzige Ausnahme ist da das Cibachrome-Verfahren, das die Farbstoffe bereits in der Schicht drin hat. Aber selbst da kann ich mir die Farbigkeit nicht erklären.

Gr Steve
[/quote]
Eigentlich ist es belanglos welches Papier du benutzt, es funktioniert mit so gut wie jedem Farb- oder S/W Papier. Einzig wichtig ist nur das es so "langsam" wie möglich sein sollte. Das erwähnte ORWO Papier ist da in der tat ziemlich gut. Bei mir ist es keine Bierdose, sondern verschiedene Nesquik-Dosen oder alte Filmdosen.
Nimmt man das Papier aus der Dose, ist das Bild direkt auf dem Papier zu sehen, eine Entwicklung ist nicht notwendig, ich habe bisher einige fixiert, aber das wirkt nicht so gut. Ideal ist wirklich das Bild (also den Papierbogen) aus der Dose zu nehmen und direkt zu scannen, ohne Vorschau, direkt scannen, da man (im Normalfall) nur einen Versuch hat.

Ich verwende, wie geschrieben, ORWO-Papier (für S/W) und älteres (mindestens 15 Jahre überlagertes) Fuji-Papier. Das verhält sich (relativ!!! farbneutral und ausserdem taugt es auch für nichts anderes.

Einzig Geduld braucht man. Mein Junior und ich haben eine Dose für 4 Monate am Balkon befestigt, ist jetzt ein Poster an seinem Bett…

Mark

PS.: Als Empfehlung, nicht über die Sonnenwende belichten, die Sonnenlinien überlagern sich und sind dann nicht mehr so gut zu erkennen sind. Ideal ist genau zur Sonnenwende und dann 6 Monate lang…


Der Optimist ist meist genauso im Irrtum wie der Pessimist, aber er ist glücklicher dabei.

Kurt Neff


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RE: Solargraphien - Langzeitbelichtungen der Sonne

#11 von stevemark , 24.12.2010 18:34

ZITAT(Mark @ 2010-12-24, 0:50) ...
Eigentlich ist es belanglos welches Papier du benutzt, es funktioniert mit so gut wie jedem Farb- oder S/W Papier.
...[/quote]
Man bekommt also tatsächlich mit s/w-(Negativ!-Papier ein (mehr oder weniger) farbiges Positiv?!? Nur mal zur Sicherheit nachgehakt ...


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RE: Solargraphien - Langzeitbelichtungen der Sonne

#12 von Mark , 24.12.2010 19:15

ZITAT(stevemark @ 2010-12-24, 18:34) ZITAT(Mark @ 2010-12-24, 0:50) ...
Eigentlich ist es belanglos welches Papier du benutzt, es funktioniert mit so gut wie jedem Farb- oder S/W Papier.
...[/quote]
Man bekommt also tatsächlich mit s/w-(Negativ!-Papier ein (mehr oder weniger) farbiges Positiv?!? Nur mal zur Sicherheit nachgehakt ...
[/quote]
Je nach Papier, ja, aber das Ganze gestaltet sich recht experimentell, es lohnt sich zu probieren. Es ist recht erfrischend wenn die Technologie mal simpelst möglichst ist.
Im Grunde handelt es sich um eine völlig übertriebene Pinhole Aufnahme, es gelten also (fast) dieselben Regeln. Ein möglichst akurates Loch und ein möglichst großes Medium garantieren eine Aufnahme auf der man auch etwas erkennt. Ich fertige mir die Pinholes mittlerweile sehr präzise aus Kupferfolie in die ein Loch gebohrt wird und dann fast rückstandsfrei verschliffen wird. Das hat sich auch für die Langzeitexperimente gelohnt, da die Bilder dann (wirklich relativ) scharf werden…

Mark


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RE: Solargraphien - Langzeitbelichtungen der Sonne

#13 von u. kulick , 24.12.2010 21:01

Das erinnert an die Heliografie

Bei Belichtungszeiten von 10 Stunden wurde dabei auch schon mal der Lauf der Sonne mit dokumentiert - solche Aufnahmen gibt es von Leuten, die Niépce's Ur-Fotografie-Methode ausprobiert haben, z.B. Leute vom Maison Niépce, idealer Zwischenstopp für vielerlei Frankreichfahrten. Gleich vormerken für zwischen den Jahren, wenn ihr den Urlaub für nächstes Jahr plant.


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RE: Solargraphien - Langzeitbelichtungen der Sonne

#14 von rtrechow , 25.12.2010 15:46

Hallo Matthias,

Toll! Toll! Toll!
Frisch den thread doch zu jeder Sonnenwende auf - ich hab ihn erst diesmal entdeckt, und er lohnt sich ja wirklich!
Danke und Frohe Weihnachten!

Rüdiger

(dem die Punkte ausgegangen sind?)


Zehn schlechte Bilder in einer Viertelstunde? Gebt mir 2 Sekunden!


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RE: Solargraphien - Langzeitbelichtungen der Sonne

#15 von u. kulick , 29.12.2010 18:10


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