RE: SZ-Artikel über Leica: AF eine Leica-Entwicklung?

#1 von weberhj , 07.12.2008 16:10

Hallo Gemeinde,

die SZ hat in der Wochenendausgabe einen sehr lesenswerten ganzseitigen Artikel über Leica gebracht.

Darin war unter anderem folgende Aussage (sinngemäß enthalten:

"Mehrere Leica Mitarbeiter wiesen darauf hin, dass in den 70iger Jahren von Leica der Autofokus
entwickelt worden, dann aber an Minolta verkauft worden wäre, die ihn dann 1985 als Weltneuheit
für SLRs auf den Markt gebracht hätten."

Weiß jemand mehr darüber? Ich war bislang der Meinung gewesen, dass der AF eine Minolta Entwicklung
gewesen sei?

Grüße Hans


In the mind of Minolta...


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RE: SZ-Artikel über Leica: AF eine Leica-Entwicklung?

#2 von matthiaspaul , 07.12.2008 19:40

ZITAT(Hans-J. @ 2008-12-07, 16:10) Weiß jemand mehr darüber? Ich war bislang der Meinung gewesen, dass der AF eine Minolta Entwicklung
gewesen sei?[/quote]
Hm, die Minolta 7000 AF war 1985 die erste Spiegelreflexkamera , die einen gehäuseintegrierten passiven Phasendetektions-Autofokus in einem komplett darauf abgestimmten System (rund um das neue A-Bajonett) anbot. Die Minolta 9000 AF wurde erst nach der Minolta 7000 AF eingeführt, war aber von der Entwicklung bereits vorher fertiggestellt. Die Minolta 7000 AF war sozusagen der Testballon, um herauszufinden, ob die neue Technik am Markt Erfolg haben würde. Hatte sie, die Minolta 7000 AF läutete eine neue Zeit in der Spiegelreflexfotografie ein, und binnen weniger Jahre zogen die anderen Hersteller mit ganz ähnlichen Systemen nach.

Aber weder die Minolta 7000 AF noch die Minolta 9000 AF sind die ersten AF-SLRs, die auf den Markt kamen. Schon in den fünf Jahren vorher gab es von verschiedenen Herstellern Vorstöße in dieser Richtung:

Minolta selbst hatte 1983 - 1984 die Minolta X-600 im Programm, ein Gehäuse (noch) mit SR-Bajonett auf der Basis der X-500, das nur in Japan auf den Markt kam und mit einer auf dem Phasendetektionsprinzip basierenden Schärfebestätigung in Form einer Schärfewaage |> O <| im Sucher aufwartete. Die Scharfstellung selbst mußte aber noch manuell über den Entfernungsring vorgenommen werden, deshalb hieß das System auch noch nicht "AF" (für Autofokus), sondern "SF" (vermutlich für Servofokus). In der letzten Generation MD-Objektive besaßen die Objektive mit einer Lichtstärke von 1:2,8 oder höher allerdings einen zusätzlichen Stift im Bajonett, der wohl die CCD-Sensoren in der Kamera umschaltete, so daß für lichtstärkere Objektive eine größere effektive Meßbasis und damit eine höhere Genauigkeit zur Verfügung stand. Offenbar testete man mit diesem Gehäuse die zur Verfügung stehende Technologie.

Zeitgleich gab es 1983 von Nikon bereits die Nikon F3-AF, ein Gehäuse, das auf der Nikon F3 basierte, jedoch einen passiven Phasendetektions-Autofokus in einem speziellen Wechselsucher namens DX-1 unterbrachte. Der Antrieb der Objektive erfolgt über Motoren, die in den Objektiven untergebracht waren, aber über spezielle Kontakte von der Kamera gesteuert und mit Energie vorsorgt wurden. Die Batterie war im Sucher selbst untergebracht. Nikon bot gerade mal zwei spezielle Autofokusobjektive und einen Telekonverter für diese Kamera an, allerdings konnten an der Kamera auch normale Nikon-Objektive mit F-Bajonett angeschlossen werden - der Sucher konnte dabei wie bei der Minolta X-600 zur elektronischen Schärfebestätigung verwendet werden. Die Objektive für die F3-AF sind übrigens nicht kompatibel mit den meisten der späteren Gehäuse des Nikon AF-Systems und können sogar Beschädigungen hervorrufen. Umgekehrt können auch die späteren AF-Objektive nicht an der F3-AF verwendet werden.

Ebenfalls 1983 - 1987 gab es auch die Olympus OM-30 aka OM-F mit Autofokusunterstützung. Die Kamera verfügte über die Elektronik, das AF-Objektiv über den Motor zur Scharfstellung. Mit normalen Objektiven war immerhin eine elektronische Schärfebestätigung im Sucher möglich. Angeblich war das AF-Objektiv auch an anderen Gehäusen verwendbar. Der AF soll sehr unzuverlässig und langsam gearbeitet haben.

1982 zeigte Yashica auf der photokina den Prototypen einer Autofokus-SLR auf der Basis der Contax 137. Dafür gab es ein Carl Zeiss Contax-Objektiv, das über eine Spindel von einem Motor im Kameragehäuse angetrieben wurde. Dies war meines Wissens die erste Kamera, die das Prinzip des gehäuseintegrierten Autofokus realisierte, der dann später in der Minolta 7000 AF debütierte. Auch Zeiss hatte damals dem Hörensagen nach kein Interesse an der Technologie.
Weiterhin habe ich in einem anderen Thread hier im Forum schon mal verschiedene verblüffende Ähnlichkeiten der späteren Yashica 230 AF mit der Minolta 7000 AF zur Diskussion gestellt, ohne daß wir "Beweise" für eine genetische Verwandtschaft gefunden haben:

http://www.mi-fo.de/forum/viewtopic.php?t=7435

Pentax bot bereits 1981 - 1984 die Pentax ME-F an, eine Kamera auf der Basis der Pentax ME Super. Die Elektronik und Optik für die passive Schärfeerkennung selbst befanden sich im Sucher, die Kamera besaß offenbar auch größere Batterien zur Versorgung der zusätzlichen Elektronik. Der Motor und die Batterien für den Autofokusantrieb befanden sich jedoch in dem speziellen AF-Objektiv (ebenfalls im Singular). Normale Objektive konnten mit Schärfebestätigung auch an der ME-F verwendet werden. Die ME-F gilt als die erste AF-SLR überhaupt.

Meines Wissens gab es auch verschiedene SLR-Experimente mit aktiven Autofokussystemen auf der Basis von Infrarotstrahlen. Gab es da nicht mal was von Canon?

Um aber auf Deine Eingangsfrage zurückzukommen, daß Leica den Autofokus erfunden haben soll, aber nicht selbst vermarktet hat (aus Technologie-, Kosten- oder Philosophiegründen), das hört man immer wieder. Ob sie die Technik an Minolta lizenziert oder verkauft haben, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis.

http://www.mi-fo.de/forum/index.php?s=&...st&p=226873
http://www.dslr-forum.de/archive/index.php/t-61766.html

Und dann gab es doch auch noch diese Schadenersatzklagen von Honeywell, unter denen insbesondere Minolta sehr zu leiden hatte, da sie sich nicht so schnell mit Honeywell einigen wollten, wie die anderen Hersteller das getan haben. Wie paßt das ins Bild?

Viele Grüße,

Matthias


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RE: SZ-Artikel über Leica: AF eine Leica-Entwicklung?

#3 von harubang , 07.12.2008 21:33

Hallo,
tatsächlich hat Leitz bereits auf der Photokina 1976 seine Entwicklung "Correfot" vorgestellt:
http://www.l-camera-forum.com/leica-forum/.../22/118730.html

Hab aus Zeitgründen nur ganz kurz recherchieren können, aber ich bin sicher, daß die Fachpresse (FM, ColorFoto) damals intensiv darüber berichtet hat!

Gruß
Rolf


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#4 von WinSoft , 07.12.2008 21:56

Leica besitzt die Patente zu ihrem Autofokus Correfot...


 
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RE: SZ-Artikel über Leica: AF eine Leica-Entwicklung?

#5 von Giovanni , 07.12.2008 22:42

QUOTE (WinSoft @ 2008-12-07, 21:56) Leica besitzt die Patente zu ihrem Autofokus Correfot... [/quote]
... und der Autofocus der neuen S2 heißt "Correfot II" ...


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RE: SZ-Artikel über Leica: AF eine Leica-Entwicklung?

#6 von matthiaspaul , 07.12.2008 22:47

Ah, ja, danke, "Correfot" war das Wort...

Hier noch ein schöner Abriß über die Geschichte des AF (allerdings in Französisch):

http://frbb.free.fr/HistoricAF/HistoriqueAF.htm Diverse frühe SLRs mit AF und Vorstufen davon

http://frbb.free.fr/Correfot/Correfot.htm Leica Correfot
http://frbb.free.fr/Visitronic/Visitronic.htm Honeywell Visitronic

Viele Grüße,

Matthias


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RE: SZ-Artikel über Leica: AF eine Leica-Entwicklung?

#7 von hobel , 07.12.2008 23:07

QUOTE (Hans-J. @ 2008-12-07, 16:10) "Mehrere Leica Mitarbeiter wiesen darauf hin, dass in den 70iger Jahren von Leica der Autofokus
entwickelt worden, dann aber an Minolta verkauft worden wäre, die ihn dann 1985 als Weltneuheit
für SLRs auf den Markt gebracht hätten."[/quote]
Sowas in der Art habe ich auch mal in einer uralten ColorFoto in der Bibliothek gelesen.
Demnach hatte Leitz die Prinzipien und Technolgie, sah aber nicht dass man das in Grossserie
machen koennte, und ist daher auf die Suche nach Kaeufern gegangen. Mit Minolta hatte man eh Kontakte,
und die haben das dann auch uebernommen.
In dem Artikel waren auch Schemazeichnungen was Leitz damals so baute, klang alles in allem nicht nach einer Ente, sondern als haette man Zugang zu Infos aus erster Hand gehabt.
Ich glaube mich zu erinnern dass da sogar Namen von Ingenieuren erwaehnt waren.


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RE: SZ-Artikel über Leica: AF eine Leica-Entwicklung?

#8 von binbald , 07.12.2008 23:27

Die Geschichte mit Leica und Minolta wird auch im englischsprachigen Wikipedia erzählt, mit Quellenverweis auf:
Late to Digital, Leica Slow to Refocus, Wall street Journal, September 16, 2008, p. B1
Leider habe ich mein Abo auslaufen lassen, so dass ich hier nicht mehr nachschlagen kann.

Edit: Ich erinnere mich aber auch noch an das Gerücht, dass Minolta nicht der alleinige Käufer war, bzw. nicht alles gekauft hat. Ob da nicht auch noch etwas in die USA geflossen ist und dann die Grundlage für die Honeywell-Affäre war? Ich weiß nicht mehr...

Der Prozess Minolta vs. Honeywell legte im übrigen den Grundstein für Robins, Kaplan, Miller & Ciresi als eine der erfolgreichsten und einflussreichsten Patentanwaltskanzleien/intellectual property - bis heute. Die Summe, die Minolta zahlte, war ein Viertel der Summe, die alle Kamerahersteller insgesamt zahlten - manchmal lohnt es sich nicht wirklich, als erster mit Erfolg auf dem Markt zu sein. Ich habe den Eindruck, dass die ca. 125 Mio. der Kamerasparte so ziemlich das Genick gebrochen haben und sich Minolta nie mehr so richtig davon erholt hat.

Danke für die Aufstellung der AF-Geschichte!
Wenn man die Sucherkameras mit einfließen lässt, sollte man sogar noch früher ansetzen. Meiner Information nach war die Konica C35AF (1977 oder 1978) die erste, die einen funktionierenden AF hatte.


--- Gruß, Michael ---


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RE: SZ-Artikel über Leica: AF eine Leica-Entwicklung?

#9 von matthiaspaul , 31.12.2009 00:56

Sicherlich in diesem Zusammenhang auch interessant die Minolta-Honeywell-Affäre:

http://www.mi-fo.de/forum/viewtopic.php?t=25617


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