Das Argument mit den teuren Weitwinkelbrennweiten wird insofern abgeschwächt, als daß ein Vollformatsensor natürlich auch deutlich mehr kostet als ein Sensor mit Crop.
Das liegt einfach daran, daß die Ausbeute bei der Herstellung eines Halbleiterchips mit deren Größe abnimmt - ein Grund, warum es viele hochintegrierte Chips gibt (z.B. Prozessoren, Speicher), bei denen Teile deaktiviert wurden, so daß weniger leistungsfähige Chips dabei rauskommen (z.B. durch reduzierte Cache-Größe, abgeschalteten Coprozessor, weniger Cores, Quads, etc.) Oft handelt es sich dabei eigentlich um exakt den gleichen Chip, bei dem während der Testphase festgestellt wurde, daß bestimmte Teile Fehler enthalten. Diese werden dann deaktiviert, so daß man den Chip immer noch (als weniger leistungsfähiges Exemplar zu einem reduzierten Preis) verkaufen kann. Manche Blöcke können sehr einfach deaktiviert werden, ohne nach außen die grundsätzliche Funktionsfähigkeit in Frage zu stellen, aber es gibt natürlich auch Strukturen, die nicht so einfach ersetzt werden können. Inzwischen hat man aber oft Platz für Reserven auf dem Chip, so daß auch solche Bereiche redundant ausgelegt werden können, auch wenn ein Bereich von seiner Funktion her nur einmal genutzt werden kann - es wird also in jedem Fall einer der beiden identischen Bereiche abgeschaltet. Solange nicht beide gleichzeitig defekt sind, kann der Chip seine ursprüngliche Funktion also ohne Einbußen erfüllen. Und die Wahrscheinlichkeit, daß beide Bereiche gleichzeitig defekt sind, ist relativ gering.
Bei einem Pixelsensor ist die Sache insofern schwierig, als daß die einzelnen Pixel nunmal an jeweils vorbestimmten Positionen liegen müssen. Wenn ein Pixel defekt ist, nützt es nichts, wenn es irgendwo am Rande noch ein paar Reservepixel gäbe. Man müßte schon jeden Pixel redundant auslegen... Das wäre aber eine unglaubliche Verschwendung, insofern werden defekte Pixel bis zu einem gewissen geringen Grad toleriert und softwaremäßig ausgeblendet.
Einen hochintegrierten Halbleiterchip mit einer Größe 24x36mm herzustellen bedeutet für die Chipfertigung aber in jedem Fall eine enorme Herausforderung - einfach schon aufgrund der Größe der zusammenhängenden Fläche, die praktisch fehlerfrei sein muß. Es wird sehr viel Ausschuß dabei geben. Ich habe jetzt keine aktuellen Zahlen, aber es kann gut sein, daß man zehn oder mehr Chips herstellen muß, um einen zu erhalten, der gut genug funktioniert, daß man ihn auch verwenden könnte. Das macht die Sache sehr teuer. Je kleiner der Sensor, desto mehr Chips passen auf einen Wafer, und desto geringer wird der Verlust, wenn ein paar der Chips nicht funktionieren.
Vielleicht findet aber jemand in Zukunft eine Möglichkeit, die Chips so zu strukturieren, daß man defekte Vollformatchips immer noch zu Crop-Sensoren umfunktionieren kann, diese also nicht wertlos werden. Mit einem solchen zweiten Verwendungszweck in peto könnte die Sache schnell erschwinglich werden. Große Chips werden immer teurer sein als kleinere (bei gleicher Fertigungstechnologie), aber trotzdem würden die absoluten Kosten bei Massenfertigung in einigen Jahren stark sinken.
Da man die Strukturen auf dem Chip nicht immer kleiner machen kann, ohne andere Nachteile in Kauf nehmen zu müssen (z.B. Rauschverhalten), wird es trotz fortschreitender Miniaturisierung zu jeder Zeit Bestrebungen geben, auch größere Chips der gleichen Sorte zu produzieren.
Von diesem Überlegungen aber mal ganz abgesehen, wünsche auch ich mir einen Sensor im Kleinbildformat (o.ä.), da ich meine Objektive einfach in ihrem angestammten Arbeitsbereich weiterverwenden möchte:
Wenn ich von einer Aufnahme mit Vollformatsensor eine Ausschnittsvergrößerung machen würde, könnte ich natürlich auch einfach eine Kamera mit entsprechend kleinerem Sensor verwenden. Das Ergebnis wäre exakt das gleiche. Es kommt aber nicht das gleiche Ergebnis heraus, wenn ich beispielsweise ein 50mm-Objektiv durch ein 35mm-Objektiv ersetzen müßte. Selbst wenn das 35mm-Objektiv "genauso hochwertig" wäre, wie das 50mm, das Bildergebnis ist einfach ein anderes. Das fängt bei der Schärfentiefe an und hört beim Bokeh nicht auf.
Viele meiner Objektive habe ich mir mehr oder weniger bewußt aufgrund einer bestimmten Kombination von "Wirkungen" ausgesucht (oder sie zumindest deswegen behalten), die für mich ein bestimmtes Objektiv ausmachen. Da nützt es dann überhaupt nichts, wenn ich diese Objektive irgendwie weiterverwenden kann, wenn ebendiese wirksame Kombination von Parametern nicht mehr die gleiche ist - z.B. weil ich zu einer Ausschnittvergrößerung gezwungen werde, die ich gar nicht möchte. Im Einzelfall mag ein Zwang zum Crop zu neuen sinnvollen Parameterkombinationen führen, aber die Entscheidung darüber möchte ich selbst vornehmen können und mir nicht von der Fotoindustrie diktieren lassen. Nachträglich beschneiden kann man immer, umgekehrt nicht. Da meine Objektive das Kleinbildformat ausleuchten, sehe ich nicht ein, warum ich nur den zentralen Fleck nutzen können sollte.
Aber neue Objektive könnte man ja wenigstens im Prinzip noch kaufen. Doch was ist mit Objektiven, die nicht mehr im Handel sind, die es überhaupt nie gab? Ein Rodenstock Imagon 120mm Objektiv macht nunmal nur bei einem dieser Brennweite bei Kleinbild entsprechenden Bildwinkel "Sinn", es gab einfach kein Imagon mit 80mm, das man stattdessen verwenden könnte (selbst wenn man mal nur den Bildwinkel betrachtet - s.o.). Das Minolta AF Soft Focus 2,8/100mm gab es auch nur mit ebendieser Brennweite, nicht mit 65mm. Ein Schneider Kreuznach PC-Super Angulon 2,8/28mm oder ein über Adapter betriebenes Minolta MD Shift-CA 2,8/35mm macht mit dem Bildwinkel eines 40mm- bzw. 50mm-Objektivs u.U. keinen Sinn mehr, jedenfalls nicht bezogen auf die Preisklasse. Wie gesagt, es hängt vom Anwendungsfall ab, man kann vorhandene Objektive u.U. auch sinnvoll umwidmen, aber nicht immer ergibt sich für einen bestimmten Fotografen auch eine neue sinnvolle Kombination - das häufig vorgebrachte Argument, man könne sich ja einfach ein paar neue Objektive im Weitwinkelbereich kaufen und fertig, ist also meiner Ansicht nach zu kurz gedacht - die Leute schauen offenbar nur auf den Bildwinkel... Da ich meine Objektive bewußt für das Kleinbildformat ausgesucht habe (sonst hätte ich in ein anderes kleineres oder größeres Format investiert), möchte ich diese auch in ebendiesem Format weiternutzen. Das ist der Grund, warum ich mir etwas Vollformatähnliches wünsche und mich auch nicht mit weniger zufriedengeben möchte.
Ob eine solche Kamera nun 2000 oder 3500 Euro kostet, wäre mir dabei letztlich egal - ich kaufe als Neuware nur das, was meinen Kriterienkatalog erfüllt und wenn der Preis bei 3500 Euro läge und dies den Funktionen und der Verarbeitungsqualität der Kamera angemessen sein würde, die Kamera also ein volles Match wäre, würde ich halt länger dafür sparen müssen. Ein, zwei Jahre früher oder später wäre dabei für mich völlig unrelevant, wenn ich dafür im Gegenzug genau das Werkzeug bekäme, das ich mir wünsche, und nicht das nächstbeste "Spielzeug"-Tool, nur weil es das gerade in der Grabbelkiste im nächsten Baumarkt gibt.
Ich weiß nicht, wie andere das halten, aber wenn ich etwas anschaffe, dann mache ich mir eine ausführliche Liste an Funktionen und Eigenschaften, die das Gerät erfüllen muß (meist eine ziemlich detailiierte Liste) und wenn es das Gerät in dieser Kombination dann nicht zu kaufen gibt oder es mir zu teuer ist, dann warte ich eben, bis es das Gerät gibt oder der Preis auf ein für mich akzeptables Niveau gefallen ist. Wenn ein Hersteller ein Gerät im Programm hat, das immerhin schon fast diesen Katalog erfüllt, nehme ich häufig Kontakt auf und mache detaillierte, realistische und auf konkrete Funktionen oder Abläufe bezogene Verbesserungsvorschläge. Schon einige Male kam dann ein, zwei Jahre später exakt das auf den Markt, was ich mir vorstellte. :-) (Das geht natürlich nur, wenn man das technische Verständnis dafür hat, wie das Gerät im Innern funktioniert, denn das "Blaue vom Himmel" wünschen, auch wenn es sich nicht sinnvoll in bestehende Funktionsabläufe integrieren läßt oder einfach technisch total unrealistisch ist, bringt nichts.) Ich glaube, ich habe privat noch nie ein Gerät gekauft, das nicht meinen jeweiligen Kriterienkatalog erfüllt hat, lieber habe ich jahrelang (manchmal auch 10 - 15 Jahre) darauf verzichtet, überhaupt ein Gerät einer bestimmten Sorte anzuschaffen - ist ja schließlich nicht lebensnotwendig... ;-)
Für mich persönlich stellt sich die Sache so dar: Wenn Sony nichts Passendes rausbringt, werde ich in Sachen Kameragehäuse halt kein Sony-Kunde. Ich bin ausrüstungstechnisch analog gut versorgt und insofern in keiner Weise gezwungen, in neue Hardware zu investieren. Sony hingegen muß was verkaufen, wenn sie sich am Markt behaupten wollen. Insofern müssen sie auch die Produkte rausbringen, die die Kunden wollen - und es gibt eine große Fraktion, die Vollformat möchte (wenn auch nicht zu jedem Preis). Darüberhinaus müssen sie auch irgendwelche Extras gegenüber der Konkurrenz anbieten, damit sie das System für ambitionierte Neukunden attraktiv machen. Insofern muß es in allen Preissegmenten Gehäuse geben, und für die kleineren Gehäuse wird Vollformat derzeit preislich noch nicht drin sein, ab 1500 Euro halte ich das aber zumindest für denkbar (je nachdem, wo sonst Abstriche gemacht werden), ab 2500 Euro sogar für in naher Zukunft wahrscheinlich.
Ich weiß auch nicht, ob die beiden neuen Modelle schon Vollformatsensoren haben werden, aber ich würde es mir wünschen. Zumindest beim Flagship-Modell bin ich eigentlich recht zuversichtlich, daß Sony tatsächlich sowas anstrebt - und langfristig (5 - 10 Jahre) denke ich, daß Sony alle neuen Kameramodelle mit Vollformatsensoren ausstatten wird, da auch die großen Sensoren dann erschwinglich sein werden - notfalls muß man halt einfach noch ein paar Kameragenerationen länger warten...
Viele Grüße,
Matthias