Zitat von stubi
Wozu sind diese ganzen Belichungsmodi (3xP, S, A, 2xM)?
Wozu sind denn die "EXTERNAL", "MULTI-M" und "BRACKET"-Funktion? Und wie kriege ich diese zum laufen? Wohl nur, wenn ich die Belichtungsfunktionen der Rückwand nutze.
Nun, leider ist die Bedienführung der Rückwand ein Musterbeispiel dafür,
wie man es nicht machen sollte. Wenn man sich das einmal antrainiert hat,
kann man durchaus damit arbeiten, aber Ergonomie und Intuitivität ist
was anderes...
Da es etliche Seiten kosten würde, die Unzahl der Funktionen und
Konfigurationsmöglichkeiten zu beschreiben, die die Program Back Super 70/90
bietet, denke ich, es ist besser, wenn Du Dir eine gescannte
Bedienungsanleitung aus dem Netz ziehst - ich habe gerade keinen Link
parat, aber die Anleitung gibt es an mehreren Stellen downzuloaden.
Die drei erwähnten Programme der Rückwand haben unterschiedliche
Charakteristiken, die Du auch nach Bedarf selbst beeinflussen kannst,
indem Du sie verschiebst oder die größte bzw. kleinste Blende als
Cut-Off-Wert eingibst: Programm 1 hat eine Steigung von 2:1, Programm 2
eine Steigung von 1:1 und Programm 3 eine Steigung von 1:2. Zum Vergleich:
Die drei Programmkurven, die die Minolta 9000 AF je nach Objektivbrennweite
selbst einsteuert, haben die folgenden Charakteristiken: Weitwinkelprogramm A
für Brennweiten bis 35mm hat eine Steigung von 1:1 (Freihandgrenze 1/15s bei
Blende 2,8 bzw. 1/4s bei Blende 1,4), Standardprogramm B für Brennweiten
zwischen 35 und 105mm hat 5:3 (Freihandgrenze 1/45s bei Blende 1,4),
Teleprogramm C für Brennweiten ab 105mm hat 3:1 (Freihandgrenze 1/250s
bei Blende 1,4).
Die Automatikfunktionen A und S sowie die normale Manuell-Funktion M
funktionieren wie die entsprechenden Belichtungsmodi der Kamera, nur daß
die Kurvenverläufe grafisch visualisiert werden und daß Du die Werte in
1/4 EV angeben kannst.
Die zweite Manuell-Funktion (M-LT) ist eine spezielle Langzeitbelichtungsoption,
mit der Du auch Zeiten bis zu 9990s (ca. 2:45h) im 10s-Raster eingeben kannst,
wohingegen normalerweise bei 30s Schluß ist.
Leider übernimmt in allen diesen Funktionen die Rückwand die Kontrolle über
die Kamera, d.h. das Belichtungsautomatikrad der Kamera wird wirkungslos
und Du kannst auch die Zeiten und Blenden nicht mehr an den üblichen
Wippschaltern einstellen, auch der Programm-Shift arbeitet nicht mehr mit
diesen Wippschaltern - das ist eine gravierende Einschränkung im Handling.
EXTERNAL brauchst Du in Verbindung mit dem Datenempfänger DR-1000 und dem
Flash Meter IV. Dann kannst Du die mit dem Belichtungsmesser gemessenen
Daten zur Kamera senden und die Kamera über den Belichtungsmesser
fernsteuern. Leider geht das nur mit dem Flash Meter IV, der nicht mehr auf
der Höhe der Zeit ist (derzeit aktuell ist der Flash Meter VI).
MULTI-M ist die von mir so oft zitierte Multi-Spot-Messung. Du mißt mehrere
Punkte (mit Spotmessung oder Integralmessung) an und speicherst sie in der
Rückwand, die Dir die Helligkeitsverteilung in einer Grafik anzeigt, wobei
Du verschiedene Auswertefunktionen wählen kannst (Average, Center, Highlight,
Shadow), die die gespeicherten Werte für die resultierende Belichtung
automatisch wichten.
Eine feine Sache, aber bei der 9000 leider auch nur in Verbindung mit den in
die Rückwand eingebauten Funktionen zu nutzen, nicht in Verbindung mit den
"normalen" Kamerafunktionen. Dadurch ist die Bedienung meist zu aufwendig.
Voll in das Bedienkonzept der Kamera integriert und z.B. auf der Analogskala
im Sucher (oder der Rückwand) moderner Gehäuse visualisiert wäre eine Multi-
Spot-Messung in meinen Augen eine echte Bereicherung für schwierige
Belichtungssituationen. Da das programmtechnisch kein großer Aufwand ist,
ist mir eigentlich schleierhaft, wieso sowas heute nicht standardmäßig
angeboten wird.
BRACKET steht für diverse Möglichkeiten von Belichtungsreihen. Die
Möglichkeiten der Rückwand gehen dabei weit über das hinaus, was
man z.B. an der Dynax 9 für Belichtungsreihen einstellen kann.
Z.B. arbeitet die Rückwand auf der Basis von 1/4 EVs, nicht 1/2 EVs
oder 1/3 EVs wie bei anderen Kameras/Rückwänden. Außerdem kannst Du
längere Belichtungsreihen (1 bis 9), mit kleineren oder größeren Stufen
(1/4 EV bis 2 EV pro Schritt), oder auch unsymmetrische Reihen (bis +/-6 EV)
realisieren. Nachteilig ist aber wieder die (nicht notwendigerweise so)
unübersichtliche Bedienung.
Die Intervalometerfunktionen hast Du noch gar nicht erwähnt. Damit
ist es möglich, die Kamera zu einem bestimmten frei programmierbaren
Zeitpunkt und/oder in einem frei wählbaren Zeitraster Einzel- oder
Serienaufnahmen machen zu lassen (was natürlich nur mit Motor Sinn
macht). Das ist auch in Verbindung mit Belichtungsreihen möglich.
Und Du kannst angeben, wieviele solcher Aufnahmegruppen insgesamt
geschossen werden sollen.
Alles in allem bietet die Program Back Super 70/90 also ein Unmenge an
Funktionen, die aber leider nur unzureichend in die normale Bedienung
der Kamera integriert wurden und insofern in der Praxis meist ungenutzt
bleiben - jedenfalls bei mir. Nur in Ausnahmesituationen schalte ich die
Rückwand zu. Trotzdem bin ich froh, sie zu haben.
Für wissenschaftlich-technische oder unbemannte Fotografie bietet die
Rückwand jedoch Möglichkeiten, die nirgendwo sonst bei Minolta zu
finden sind. Und wenn man nicht ständig die Konfiguration ändern muß,
ist auch die komplizierte Bedienung kein Hindernis. Daß die Funktionen an
sich aber durchaus nützlich sind, steht meiner Meinung nach außer Zweifel.
Auch das ist ein Grund, warum ich so darauf "dränge", daß für die Dynax 9
eine ähnlich funktionale Rückwand (eine Symbiose aus DM-9, Program Back
Super 90 und Dynax 7 Rückwand) erscheinen möge. Denn erstens kann man
die gleiche Funktionalität heute für einen Bruchteil des damaligen
Preises anbieten (ca. 50 - 70 EUR Hardware-Kosten und etwa 3 Monate
veranschlagte Entwicklungszeit für ein fähiges 2 - 3 Mann-Team, also
ca. 300 - 500 EUR möglicher Verkaufspreis bei Stückzahlen). Außerdem
geht das heute kleiner und stromsparender - und viel ergonomischer in
die Bedienung der Kamera integriert. "Seamless" ist das Stichwort.
Um das einmal für die Fotografierenden deutlich zu machen, die mit
Elektrotechnik/Informatik/Maschinenbau nichts am Hut haben: Verglichen
mit der Entwicklung eines Kameragehäuses ist die Entwicklung einer
Rückwand annähernd trivial, mag sie auch noch so vollgestopft mit
Features sein und mit tollen Displays und Funktionstasten aufwarten.
Da ist keinerlei Forschung zu betreiben, die zehntausende Euros
verschlingt. Im Prinzip kann heute jeder halbwegs erfahrene Hobby-
Elektroniker sowas selbst bauen, es gibt eigentlich nur wenige Gründe,
warum es das nicht längst schon irgendwo als "Bastelprojekt" gibt:
- Das Datenformat Kamera-Rückwand ist für Außenstehende unbekannt,
müßte also erst mal geknackt werden. Das ist ziemlich zeitaufwendig,
sollte es kein Standard-Protokoll sein. Für Konica Minolta aber
absolut kein Problem.
- Selbst für Privatleute ist es heute ohne Probleme möglich, eine
Platine mit Mikroprozessor und LC-Display zu entwickeln und in
Einzelstücken oder günstigen Kleinserien herzustellen.
Aber die Leute scheitern daran, genügend paßgenaue Gehäuseteile
zu fertigen, um die Elektronik auch schön "verpackt" an der Kamera
zu montieren - es soll ja auch professionell aussehen und stabil
genug für die harte Praxis sein.
Aber für eine Firma ist das Gießen/Spritzen/Pressen/Wärmeumformen
von Gehäuseteilen heutzutage überhaupt kein großer Aufwand mehr -
das geht selbst in Kleinserien schon für wenige tausend Euro.
Eine Firma wie KoMi, die bereits andere Rückwände herstellt und
langjährige Erfahrung damit hat, welche Konstruktionsdetails
und Materialien förderlich sind und welche nicht, sollte es eigentlich
innerhalb weniger Tage (! Entwicklungszeit schaffen, die mechanischen
Komponenten für eine solche Rückwand CAD-mäßig zu designen und
notfalls extern in Auftrag zu geben.
- Das einzige schwierig zu realisierende Detail ist die Optikbaugruppe
für die Dateneinbelichtung, aber sowas hat KoMi ja längst in peto.
Ein "Bastler" könnte höchstens versuchen, eine vorhandene Rückwand
auszuschlachten, denn so ein Teil läßt sich einfach nicht selbstbauen.
- Man braucht einige tausend Euro Startkapital, die man aber wieder
einfährt, sofern man sowas kommerziell aufziehen würde.
Mit anderen Worten, die Entwicklungskosten für so eine High-End-Rückwand
spielen sich locker wieder ein, wenn man nur fünfhundert bis tausend davon
weltweit verkauft bekommt. Das dürfte meiner Einschätzung nach bei dem
prognostizierten Preis einer Rückwand für die Dynax 9 auch in heutigen
Zeiten überhaupt kein Problem sein. Wenn eine Firma wie KoMi das nicht
für einen solchen Preis hinbekommt (die DM-9 ist z.B. maßlos überteuert
bezogen auf ihren geringen Funktionsumfang), läuft da prozessmäßig
irgendwas gewaltig schief, was hohe Reibungsverluste erzeugt - aber viele
große Konzerne haben solche Probleme...
Viele Grüße,
Matthias
EDIT: Nachtrag: Siehe auch:
http://www.mi-fo.de/forum/index.ph...ost&p=44646
http://www.mi-fo.de/forum/viewtopic.php?t=4389
http://www.mi-fo.de/forum/viewtopic.php?t=6557
http://www.mi-fo.de/forum/index.ph...ost&p=80764