Am Anfang standen die Pariser Vater und Sohn Chevalier. Mithilfe der Objektive der beiden Optiker konnte der offizielle Erfinder der Photographie Nicéphore Niépce die ersten Belichtungsversuche von mehreren Tagen auf 8 Stunden reduzieren. Das einzige erhalten gebliebene Bild wurde etwa so lange belichtet. Als nach Niépces Tod sein nach der Erfindung hinzugekommener Geschäftspartner Louis Jacques Mandé Daguerre sie weiter entwickelte und zu vermarkten begann, geschah dies mit einer sehr simplen lichtschwachen Optik, geliefert von angesehenen Pariser Optikern wie Lerebours und Chevalier. Portraitfotografie war damit fast unmöglich außer evtl. von Leuten "mit versteinerter Mine im Halbschlaf" gestützt von einer martialischen Kopfstütze. Noch einmal reüssierte Charles Louis Chevalier in der Szene der Urfotografen mit preisgekrönten Optiken bis zu sensationeller Lichtstärke 5,6 wie dem Objektiv
Photographe a Verres Combinés (1839)
Noch immer dauerte die Belichtung Minuten, aber nur noch ein Sechstel so lang wie mit Daguerres Apparaten. Eine Optimierung der Fotochemie tat ein übriges, die Qual für die Portraitierten in ihren Haltegestellen zu verkürzen. Da erkannte ein austro-hungarischer Slowake namens Petzval, dass für kleine Formate noch viel lichtstärkere Optiken drin sein mussten und begann dank seiner erlernten mathematischen Fähigkeiten nachzurechnen. So entstand zufällig recht früh das erste berechnete und auch lichtstarke Foto-Objektiv, das
Petzval-Objektiv (1841),
welches sich tatsächlich als Portraitobjektiv eignete. Es war ab 1841 praktisch Standard-Qualitätsobjektiv für Portraitfotografie für den ganzen Rest des 19. Jahrhunderts. Durch die Lomography-Bewegung hat es jüngst eine Renaissance erfahren und wird bestimmt auch auf der Photokina 2014 zu sehen sein. Erster Hersteller war Voigtländer in Wien. Wegen Streit um die Lizenznutzung zog Voigtländer nach Braunschweig, um der österreichischen Justiz zu entwischen.
Der Elsässer Carl August von Steinheil entwickelte 1839 ein eigenes fotografisches Verfahren, das Steinheilverfahren. Er gründete ein optisches Werk in München. Größter Erfolg im 19. Jahrhundert war das 1866 das Aplanat-Objektiv, bei dem sphärische Aberration und Koma korrigiert waren. Im gleichen Jahr stellte der Westfale John-Henry Dallmeyer in London das im Prinzip gleiche Rapid Rectilinear vor.
Aplanat und Rapid Rectilinear (beide 1866)
verbreiteten sich als neuer Qualitätsobjektiv-Standard. Noch 1929, also vor 85 Jahren, wurde z.B. Minoltas allererste Kamera Nifcarette u.a. in Versionen mit Aplanat-Objektiv hergestellt.
Als letzte wichtige Korrektur erfolgte 1889 durch Zeiss legendären ObjektiventwicklerDr. Paul Rudolph aus dem Saaletal die des Astigmatismus. Seinen entsprechenden Objektivtyp nannte er
Zeiss Anastigmat (1889)
Zeiss nannte es um in Protar. Es ist nun also genau 125 Jahre her, dass Zeiss sich einen Namen machte mit einem der ganz großen Objektiv-Entwürfe, der ersten serienmäßig anastigmatisch korrigierten Kameraoptik. Noch bis in die 1950er-Jahre war "Anastigmat" ein gern gebrauchter Objektiv-Namenszusatz, jedoch gebraucht für modernere anastigmatische Objektiv-Konstruktionen anderer Hersteller.
Der Hammer unter den deutschen Objektiven des 19. Jahrhunderts war der Goerz Doppel-Anastigmat aus Berlin, ein symmetrischer Doppelanastigmat, entwickelt 1892 von Emil Von Höegh
Goerz Doppel-Anastigmat (1892)
1893 gelang mit dem Cooke-Triplet erstmals ein sowohl anastigmatisches als auch farbkorrigiertes Objektiv durch geschickte Kombination von Flintglas- und Kronglas-Elementen mit ihren verschiedenen Brechungsindizes. Harold Dennis Taylor aus West Yorkshire bei Firma Cooke in Leicester beschrieb es erstmals.
Cooke-Triplet (1893)
Bemerkenswert der Zehnlinser von Gundlach in Rochester, N.Y., dem Optik-Mekka der USA. 1896 entwickelt von J.C. Reich.
Turner-Reich Anastigmat (1896)
Dann erst begann auch das Rudolph'sche Optikzeitalter erst so richtig, denn sein originales Anastigmat war ein lichtschwächeres Objektiv für Spezialisten. 1896 schuf er das Planar, noch heut beliebt, z.B. bei Leuten, die gerne auf Sony-Kameras mit gewölbtem Sensor verzichten würden (Wenn das Gerücht stimmt mit dem gewölbten Sensor! Planar bedeutet nämlich annähernd plane Bildebene bei ordentlicher Korrektur der anderen Optikfehler und Vermeidung von Reflexen. Das Planar verkürzte also die Belichtungszeiten nochmals dramatisch, da wegen mehr Bildfeldwölbung ältere Objektive eher abgeblendet verwendet wurden, Stillehalten beim Fotografen also noch immer ein günstiges Verhalten war
Planar (1896)
Das Jahrhundert endete 1900 mit dem ersten Vierlinser mit annähernd umfassender Korrektur der Optikfehler, Hugo Meyers Aristostigmat aus Görlitz, Vorbild für weitere Vierlinser-Standardobjektive des 20. Jahrhunderts. Im Prinzip hatte bereits 1888 ein Amerikaner bei Bausch&Lomb in Rochester die Doppel-Gauss-Objektiv-Idee entwickelt.
Aristostigmat (1888 & 1900)
Ganz nigelnagelneu kam 1900 noch Voigtländers Heliar, entwickelt von Dr. Hans Harting. Paul Rudolphs später entwickeltes Tessar ist möglicherweise eine Abwandlung dieser Konstruktion (oder des von Rudolph 1899 selbst entwickelten Unar). Das Tessar wurde Inbegriff für das deutsche Standard-Objektiv für das halbe 20. Jahrhundert.
Heliar (1900)