Zitat von ingobohn
Bei einem Fotoseminar bei Michael Gnade in Bensberg bei Köln hatten wir das Thema in einer kleinen Pause auch angerissen. Michael Gnade drückte es so* aus, daß man mit der Kamera in der Hand und wachen Sinnen durch die Welt geht und die Eindrücke einatmet. Trifft man auf einen Moment, der mich innerlich rührt, versucht der Fotograf dieses Empfindung mittels Kamera und Film festzuhalten. Er bannt also mehr oder weniger das Bild, was er bereits im Kopf und der Seele hat, auf Film. Eigentlich sei mit dem Druck auf den Auslöser genau genommen der Schaffensprozeß schon beendet und man bräuchte genaugenommen das gemachte Foto nicht mehr. Denn Fotografieren ist für ihn "Bilder einatmen".
Warum ein Fotograf dann doch in den meisten Fällen /wink.gif" style="vertical-align:middle" emoid="" border="0" alt="wink.gif" /> den Film entwickelt und Abzüge herstellt hat u.a. den Grund, daß er sehen will, ob das Bild, was er im Kopf hatte, auch mit dem, was auf dem Film sich befindet, übereinstimmt (Beweiskraft). Zudem ist natürlich ein Fotograf auch nicht uneitel und will mit dem Vorzeigen des Ergebnisses ggf. geschmeichelt und gelobt werden. Vor allem dann, wenn andere beim Betrachten des fertigen Bildes ebenfalls den Hauch erahnen und spüren können, den der Fotograf kurz vor dem "klick" eingeatmet hat.
Wow! Diese Beschreibung trifft genau, was ich dabei empfinde. Bilder einatmen -
das ist es! Das geht natürlich nur, wenn man den Moment wirklich bewußt erlebt
und mit allen Poren in sich aufsaugt. Ihn zu fotografieren ist dabei für mich eine
Art Katalysator.
Jetzt verstehe ich auch, warum ich zwar meine Filme in der Regel schnell
entwickeln lasse und mir dann unter der Lupe anschaue, aber oft längere Zeit
überhaupt nicht groß projiziere, geschweige denn, Abzüge davon mache oder
Scans ins Forum stelle... Einen erlebten Eindruck mit anderen teilen zu können,
hat natürlich auch etwas für sich (und manchmal wünschte ich mir, ich hätte
einen Scanner), aber das ist nicht das, was für mich /wirklich/ das Wichtigste
beim Fotografieren ist. Das kann man ja später immer noch machen...
Das Einatmen, das Zu-eigen-machen ist es. Mit einem Filmbild gießt man sich
in gewisser Weise einen physischen Abdruck der gerade erlebten Welt, streift
dem Moment eine Haut ab und nimmt sie mit. Das ist - für mich - der Reiz.
Mit einer Digitalen geht das in gewissen Grenzen auch, aber es wär halt doch
wieder nur etwas Immaterielles, was dabei herauskäme...
Nach dem Screeing der neuen Fotos weiß ich, daß der Eindruck, den ich einfangen
wollte, den ich verinnerlicht habe, irgendwo im Archiv in Form eines Stückchen
belichteten Films manifestiert ist, und das reicht mir dann oft schon, um das Bild
vor meinem geistigen Auge wiedererstehen zu lassen. ;-) Der Fotoapparat als
Gedankenfokussierer sozusagen...
Vielleicht ist das für andere nicht nachzuvollziehen, aber mit digitaler Fotografie
geht das /für mich/ nicht - das ist einfach was anderes. Nichtsdestotrotz bin ich
überhaupt nicht gegen digitale Fotografie. Nur verliert die analoge Fotografie
damit /für mich/ nicht an Wert, nur weil es jetzt DSLRs gibt. Das ist für mich
keine /Mode/, die gerade "in" oder "out" ist, sonderm ein anderes Medium,
fast wie Foto und Film, oder wie Kino und Fernsehen.
Viele Grüße,
Matthias
PS. @AlexDragon: Was das "zu nichts führen" angeht, ich bin gerade um eine
sehr interessante Anregung bzw. Selbsterkenntnis bereichert worden, insofern
hat mir diese Diskussion sehr wohl etwas gebracht. Wenn man sich die Gedanken
der anderen natürlich noch nicht mal durchliest, muß man sich auch nicht
wundern, daß es zu nichts führt, dann bleibt man doch nur auf der Stelle stehen.
Ich habe mich im übrigen überhaupt nicht negativ bezüglich digitaler Fotografie
oder Bildverfremdungen geäußert, sondern nur gesagt, daß es nicht /mein/
Ding ist. Dein Einwurf steht irgendwie in totalem Widerspruch zu dem von Dir
geäußerten Motto "Wir haben 2005 und heute ist das soundso und man muß mit
der Zeit gehen...". Finde ich nicht; man sollte das tun, was man für sich als
stimmig empfindet, völlig ungeachtet dessen, was der Mainstream dazu sagt...